Updated: 1. September 2022
Emotionale Gegenstände entrümpeln gehört zu den schwierigsten Tätigkeiten beim Aufräumen. Wir alle haben „Emotionale Gegenstände“. Kuscheltiere aus der Kindheit, ererbtes Geschirr, der alte kratzige Pullover von der Oma, Glückwunschkarten, Eintrittstickets, verblasste Briefe die schon seltsam riechen, alte Magazine aus unserer Schulzeit mit Stars die nun auch schon im Rentenalter sind, Muscheln vom Strandurlaub … ich könnte endlos weiter aufzählen. Sie erinnern uns an eine Person, eine Zeit, einen Ort oder ein Gefühl.
Ich habe vor einigen Jahren einmal geholfen, ein Haus (das verkauft werden sollte) komplett auszuräumen. Da sind ganz viele emotionale Dinge zum Vorschein gekommen. Bastelsachen der Tochter z.B., ihre kleinen Hände in Gips verewigt, uralte Zeitschriften und Magazine und viele alte Briefe der Eltern. Der Eigentümer sagte, dass er diese Sachen sehr schätzte und daher niemals wegwerfen würde. Aber dennoch hatten sie keinen guten Platz gehabt und waren jahrzehntelang lieblos in einem muffigen Korb gelagert worden. Einige der „wertvollen“ alten Briefe waren sogar in einem so schlechten Zustand, dass sie auseinander zufallen drohten.
Hier besteht oft eine Diskrepanz zwischen dem behaupteten emotionalen Wert und wie diese Dinge verwahrt werden. Wird etwas geschätzt, das jahrzehntelang unbeachtet in einer Schachtel im feuchten Keller lagert?
Meine Erfahrung ist, dass sich viele Menschen ihre sentimentalen Gegenstände niemals anschauen (wollen). Bei manchen dieser Dinge könnte man sagen, dass sie in einer Art Limbo Status herumschwirren, d.h. wir ahnen verschwommen im Hinterkopf dass es sie noch gibt, aber wir öffnen den sprichwörtlichen Deckel nicht.
Bei anderen Dingen wissen wir genau, dass sie existieren und wo sie zu finden sind, aber wir schaffen es nicht, uns mit diesen Gegenständen zu befassen. Sie werden nur gelagert. Aber Wegwerfen? NEIN – ein Sakrileg!!!
Wie kannst du dich dennoch von emotionalen Gegenständen befreien ohne gleich in eine depressive Phase zu schlittern?
Es ist hilfreich, sich folgende Tatsachen vor Augen zu halten:
1. Die Erinnerungen werden nicht in physischen Gegenständen aufbewahrt
Auch wenn alle deine Fotos verloren gehen würden, so kannst du dich dennoch an die vielen schönen Erlebnisse in deinem Leben erinnern.
Einem guten Freund von mir ist das vor vielen Jahren (bevor noch jede ein Handy hatte) passiert. Der Fotograf, der zur Hochzeit kommen sollte, ist nicht aufgetaucht, weil er in einem Megastau gefangen war. Keiner der Gäste hatte eine Kamera dabei. Die Zeremonie musste ohne fotografische Dokumentation über die Bühne gehen.
Er konnte sich dennoch immer an seine Hochzeit erinnern und er ist auch immer noch mit derselben Frau verheiratet.
Einige Wochen später bekam er Post mit einem Bußgeldbescheid – im Brief ein „Blitzerfoto“ einer automatischen Kamera. Er war zu schnell gefahren!
André Heller formuliert es perfekt in seinem gleichnamigen Lied:
Die wahren Abenteuer sind im Kopf
Und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo!
2. Sentimentale Gegenstände zu entrümpeln, bedeutet nicht, das Leben wegzuwerfen
Überlege dir einmal den Worst Case: Du verlierst all dein Hab und Gut. Das ist natürlich eine schreckliche Vorstellung, aber auch in diesem extremen Szenario ist es so, dass dein Leben damit nicht verloren geht. Deine Vergangenheit ist ganz genauso vorhanden wie vorher.
Du bist viel mehr als nur die Dinge!
3. Sentimentale Gegenstände zu entrümpeln beinhaltet keine negative Aussage
Oft sind es tiefsitzende Glaubenssätze, die uns aufhalten und zögern lassen. Hier eine kleine Auswahl:
Das kann ich nicht weggeben, das war ein Geschenk!
Wenn ich das wegschmeissen würde, dann wäre das ein Affront gegenüber dieser Person.
Nein, ist es nicht! Du kannst die Person und die Tatsache, dass dir etwas geschenkt wurde, dennoch schätzen, auch wenn du für das Geschenk selbst keinen Bedarf hast.
Die Beziehung zu dieser Person ist unverändert vorhanden!
Von Büchern trennt man sich nicht!
Wenn ich Bücher entsorge, dann bedeutet das eine negative Aussage gegenüber der Autorin oder dem Autor.
Wenn ich Bücher entsorge, dann bin ich eine Kulturbanausin.
Nein, so ist es nicht! Auch wenn du Bücher entsorgst, kannst du diese Autoren genauso schätzen wie zuvor und wenn du Lesen liebst, dann wirst du Lesen auch weiterhin lieben.
Basteleien und Geschenke meiner Kinder darf ich nicht entsorgen!
Wenn ich Muttertagskarten, Oster- und Weihnachtsbasteleien, Zeichnungen … entsorge, dann bin ich eine schlechte Mutter.
Nein, bist du nicht! Du liebst deine Kinder ganz genauso, ob du nun alle ihre Basteleien aufbewahrst oder auch nicht.
Kinder sehen das Ganze übrigens oft viel entspannter!
4. Lass dich von emotionalen Gegenständen nicht in der Vergangenheit festhalten
Überlege, welche deiner emotionalen Dinge eher wehmütige oder negative Gefühle hervorrufen:
- Ein Brautkleid und Glückwunschkarten zur Hochzeit, obwohl die Ehe längst geschieden ist
- Das Geschenk einer Freundin, aber die Freundschaft existiert nicht mehr
- Kleidungsstücke, die nicht mehr passen, sie erinnern an Zeiten, wo wir z.B. schlanker waren
- …
Dein Leben ist jetzt in diesem Augenblick. Und du hast eine Zukunft vor dir. Zu viele Gegenstände aus der Vergangenheit lassen uns melancholisch werden und gipfeln in Aussagen, wie „früher war alles besser“ oder lassen die Wohnung zu einem Museum verkommen.
5. Du musst nicht ALLE emotionalen Gegenstände entrümpeln
Wichtig ist jedoch: Beschränke dich selbst – und das BEVOR du mit dem Entrümpeln beginnst! Du könntest z.B. entscheiden, eine Schatzkiste zu haben, wo du die Dinge aufbewahrst, die dir wirklich wichtig sind. Die Dinge, die bleiben, sollen ein gutes Zuhause bekommen.
Du willst z.B. deinen allerliebsten Lieblingskuschelbär aus deiner Kindheit aufbewahren? Sein Platz ist dann definitiv nicht in einer dunklen Kiste, wo er mit zig anderen Kuscheltieren ein trauriges Dasein fristet.
Dinge, die du als deine TOP-of-Emotionals definierst, verdienen auch einen TOP-Platz!!!
Das Problem besteht nicht darin, dass du emotionale Gegenstände besitzt, sondern wie viele emotionale Dinge du in welcher Form aufbewahrst.
6. Fertige eine Liste deiner wichtigsten Dinge an
Nimm dir Papier und Stift oder erstelle ein Dokument am Computer – und schreibe aus deinem Gedächtnis heraus deine wichtigsten emotionalen Dinge auf. Welche kommen auf die TOP-10-Liste? Sind es überhaupt 10?
7. Gib den besonderen emotionalen Dingen einen besonderen Platz
Du könntest diese Gegenstände in einen schönen Bilderrahmen geben oder sie bekommen einen guten Platz in deiner Wohnung. Wenn du dich mit einigen wenigen für dich bedeutsamen emotionalen Gegenständen umgibst, dann strahlen sie auch etwas Besonderes aus. Auch wenn sie „nur“ Dekoration sind, so erfüllen sie den Zweck, dir Freude zu bringen.
Liebe Uli,
ich habe bei dem Thema Hochzeitsfotos schmunzeln müssen, denn so ähnlich ist es uns auch passiert. Meine Papa sollte unsere Hochzeitsfotos machen und hat vergessen einen Film einzulegen. Er hat zwar fleißig geknipst, doch ohne Film… Erst war ich ganz schön frustriert, doch dann fand ich es gar nicht so schlimm. Ich bin immer noch mit meinem Lieblingsmensch verheiratet und mittlerweile sind es bereits über 28 Jahre. Und dieses Geschehen wiederum ist eine tolle Erinnerung, die uns immer wieder zum Lachen bringt.
Alles Liebe, Susana
Liebe Susana, das stimmt total – genau solche Erinnerungen vergisst man dann nie.
LG – Uli
Liebe Uli,
vielen Dank für diesen (für mich gerade sehr) wertvollen Artikel und den genialen Tipp mit der Liste!
Denn ich stehe gerade vor der Frage, was ich behalten will und was nicht.
Gern mehr davon! Und ich liebe Listen!!!