Hier ist sie wieder: Die berüchtigte (Vor)-Weihnachtszeit.
Herbeigesehnt.
Gefürchtet.
Gehasst.
Ignoriert.
Kaum eine Jahreszeit ist so widersprüchlich. Und so von fake News (Olds) behaftet. Wir werden beschworen, die stillen und besinnlichen Tage zu zelebrieren. In duftenden Dampfbädern zu schwelgen. Kerzen anzuzünden.
Das vergangene Jahr zu reflektieren. Zeitraubende Rituale durchzuführen. Glücklich mit der ganzen Familie zu feiern. Überhaupt zu feiern. Nicht allein zu sein. Mehrgängige Menüs zu kochen, Kekse zu backen, die Wohnung zu dekorieren und den Turmbläsern zuzuhören.
Viele Menschen kippen in eine schlechte Stimmung; die einen werden depressiv, die anderen latent wütend, manche beides. Die einen fühlen sich einsam, die anderen eingezwängt in zu vielen Verpflichtungen und Terminen.
Ich feiere Weihnachten dieses Jahr nicht.
Das gibt mir ein ausgesprochen gutes Gefühl, denn ich gehe völlig unbeeindruckt durch Wiens überfüllte Straßen und lasse sämtliche Christkindlmärkte und Punschstände links liegen. Selbst das Weihnachtslieder-Gedudel in den Kaufhäusern stört mich nicht.
Es geht mich einfach nichts an!
Weihnachten – Niedergang und Neuanfang
Kindheit
Als Kind war Weihnachten für mich vor allem eines: Eine üble Zeit familiärer Spannungen in überheizten Räumen. Der teerige Geruch der abgebrannten Sternspritzer. Lametta in Silber und eine toxisch blaue Weihnachtsgirlande, die nach einem kleinen Kerzenunfall schwarz war.
Oma oft kränkelnd und grantig; mit saurem Gesicht.
Oma (nicht größer als 1,50 Meter), die mit dem gekauften Christbaum nicht zufrieden war und auf der Suche nach einem neuen Baum fast im Schnee versunken wäre.
Oma, die erzählte, dass ihr Christbaum (viele Jahre bevor ich geboren wurde) im ungeheizten Wohnzimmer perfekt bis Mariä Lichtmess gehalten hatte.
Papa mit zu viel Alkohol intus.
Keine Hilfe für Mama, nur eine Last.
Wie ein zusätzliches Kind, das ständig nur fordert und raunzt.
Nach Aufmerksamkeit lechzt.
Auf jeden noch so klitzekleinen Fehler mit dem Finger zeigt.
Mama, die rannte und arbeitete, um Weihnachten für alle behaglich zu machen.
Mama, die ein friedliches Weihnachten wollte und es doch nie bekam.
Mama, die dann manchmal heimlich am Klo weinte.
Bis Papa sie rief, weil er irgendwas brauchte.
Kein Weihnachtsfriede, nicht mal am Klo.
Mittelalter
Als junge bis mittelalterliche Frau dachte ich, wenn ich mich nur genug bemühe und mache, es anders mache, dann kann ich schöne, fröhliche und gefühlvolle Weihnachten gestalten. Wo alles für alle passt. Es ist mir nicht gelungen. Der kindliche Schaden – das weihnachtliche Trauma – war wohl zu groß und irreparabel.
Ich kann gut nachfühlen, wie es für Mama gewesen sein musste, denn für mich war es genau so. Das Beste zu versuchen und zu geben, es allen recht machen zu wollen, jedes Jahr wieder, und trotzdem scheitern zu müssen.
Zwar mit ganz unterschiedlichen Vorzeichen und anderen Beteiligten, aber dennoch scheitern.
Ich suchte und fand Trost und Vergnügen bei Travnicek und Böll und später auch bei Griswold und Cousin Eddie.
Betriebsrats-Weihnachtsfeier
Ganz unerwartet und ohne eigenes Zutun wurde ich vor einigen Jahren mit einem wunderbaren Weihnachtsgefühl beschenkt. Wir standen in der überfüllten Teeküche an kleinen Stehtischen. Kitschige Weihnachtsmusik dröhnte blechern aus einem Kassettenrekorder, der es wie durch ein Wunder in dieses Jahrtausend geschafft hatte.
Da war es plötzlich – dieses Gefühl, dass alles genau richtig und schön und festlich ist, auch mit dem Bier aus der Flasche und der heißen Leberkässemmel. Selbst mit Let it Snow. Vielleicht gerade deswegen. Zusammen feiern. Reden. Lachen. Einfach sein.
Weihnachten für Senior*innen
Voriges Jahr – in meinem ersten Jahr im Ruhestand – hatte ich viel vorbereitet. Das Essen für drei Tage, einen festlich geschmückten Christbaum (der sich wie ein Fremdkörper – der er ja auch war – im Wohnzimmer anfühlte) und sonst noch allerlei Drum und Dran, an das ich mich jetzt gar nicht mehr erinnere.
Ich fühlte mich gerüstet.
Sonntag, der 24. Dezember 2023 brach an: Ich wachte mit einem ätzenden Summton im Kopf auf. Mein Körper hatte alles in seiner Macht Stehende getan, um dieses Geräusch zu ignorieren und in Traumsequenzen umzuwandeln, aber irgendwann ließ es sich nicht mehr verleugnen.
Ein Gerät summte, brummte und dröhnte vor sich hin. Nicht in meiner Wohnung. Nicht in den Nachbarwohnungen auf meiner Stiege. Sondern im Keller der Nebenstiege.
Unerträglich.
Laut.
Hitze produzierend.
Würde es womöglich explodieren?
Ich rief die Feuerwehr. Ein Trupp sehr gut aussehender junger Männer rückte verheißungsvoll an. Mit einer Riesenzange öffneten sie problemlos die Kellertür, hinter der sich das dröhnende Ungetüm verschanzt hatte. Aber auch sie waren machtlos gegen die grunzende Maschine. Sie lärmte weiter vor sich hin. Ich versprach ihnen halbherzig, mich zu melden, sollte sie tatsächlich explodieren.
Die Nacht senkte sich über Wien, bei den Familien mit Kleinkindern war die Bescherung wohl schon vorbei.
Meine Stimmung war grimmig und gereizt; nahe an der Grenze zu einem Wutanfall.
Anmerkung: Mann und Tochter machen mich in unregelmäßigen Abständen darauf aufmerksam, dass Wut auf Maschinen keinen Sinn ergibt. Sei es nun ein fremdes Gerät oder der eigene kaputte Kühlschrank (aber das ist eine andere Geschichte).
Fazit: Wir packten alles zusammen und riefen ein Taxi. Am Weg in die Stadtwohnung fuhren wir über die festlich beleuchtete Ringstraße (an diesem Abend fast ohne Autoverkehr), vorbei an den vornehmen Palais, der ehrwürdigen Oper und den noblen und exquisiten Hotels.
Die Stadt gehörte uns und nur uns. Die vielen Lichter, mit denen die Prachtstraße geschmückt war, waren eigens für uns angebracht worden.
Und genau hier stellte sich diese wunderbare Weihnachtsstimmung wieder ein; einfach so. Wir waren wie die nichtsahnenden Hirten auf dem Felde, denen plötzlich eine frohe Botschaft zuteilwird.
Es hätte mich nicht überrascht, das Christkind mit weiß-goldenem Kleid und blondem Engelshaar vor uns her schweben zu sehen. Und die himmlischen Heerscharen.
Ein Kind ist uns geboren – und es ist (diesmal endlich) ein Mädchen! Halleluja!
Meine besten vorweihnachtlichen Tipps
Tue weniger.
Oder gar nichts.
Hab keine (zu großen) Erwartungen.
Setze nicht auf Perfektion.
Sei gnadenlos egoistisch.
Bedenke: Du bist egoistisch FÜR DIE ANDEREN.
Alle werden glücklicher sein, wenn du glücklich bist.
Wenn du das Gefühl hast, dass dir etwas aufgezwungen wird, bist du nicht glücklich.
Daher: Sei egoistisch!
Mach Dinge anders.
Probiere es einfach aus (bevor du gleich nein sagst).
Vereinfache das Fest, wenn dir danach ist.
Serviere Salzgurken anstelle von Weihnachtskeksen.
Setz dich über das-haben-wir aber-immer-so-gemacht hinweg.
Lach über die anderen und dich selbst.
Ich feiere Weihnachten dieses Jahr nicht oder vielleicht doch? Jeder Tag kann ein Weihnachtstag sein, an dem wir plötzlich und unerwartet ein Geschenk erhalten – oder etwas verschenken.
Ein Lächeln.
Ein Stück Kuchen.
Ein wenig Zeit.
Ich bin überzeugt: Weihnachtsfreude kann man nicht erzeugen, schon gar nicht mit viel Mühe. Sie ist eine Gabe, die plötzlich und unerwartet auftaucht – an Orten, wo man sie gar nicht vermutet.
Wer schreibt hier?
Ich bin Uli Pauer und Ausmist-Expertin aus Wien. Ich unterstütze Menschen, überflüssige Dinge loszuwerden. Sachen, die im Weg und ein Dorn im Auge sind, sich aber wie Kletten festhalten.
Ich bezeichne mich als „Zerstückelungs-Expertin“, weil ich große Ausmist-Projekte in alltagstaugliche Aufgaben zerteile. Und auch deshalb, weil ich ein großer Krimi-Fan bin.
Bei mir ist Tun angesagt.
Klartext – no bullshit! 😊
Und Humor.
Meine Leidenschaft:
Übergewichtige Wohnbereiche einfach, effizient und strategisch zu verschlanken.
Und das nachhaltig!