Manchmal sind Wohnungen ein Kraftort. Wenn man den richtigen Ort zur richtigen Zeit, findet, wird dieser Platz zum Seelenort. Ganz besonders, wenn man die Suche nach einer neuen Wohnung eigentlich schon aufgegeben hat, und man sie doch findet. Oder sie einen findet.
Die Frau vom Main
Die Protagonisten dieser tollen Wohngeschichte: Eine Vision, ein Zufall, etwas Mut und eine Wohnung.
In Frankfurt eine bezahlbare Wohnung finden? Träum‘ weiter …
Frankfurt am Main, Deutschlands kleinste Großstadt. Etwas mehr als 773.000 Menschen leben hier. Nur! Offenbar gaukelt die beeindruckende Skyline Größe vor. Aber nur in der Höhe. Sind doch die allermeisten dieser Wolkenkratzer Bürohäuser. Und da strömen wochentags noch zusätzlich mehr als 400.000 Pendler hin.
In dieser Metropole, die sich geografisch nicht weiter ausbreiten kann, ist bezahlbarer Wohnraum rar. Und wenn man eine Wohnung hat, gibt man sie nicht mehr her. Und wenn man trotzdem den Wunsch nach Veränderung hat? Etwas mehr Platz, etwas mehr Draußen?
Die Suche aufgeben? Haben wir nach ungezählten Versuchen getan.
Was ist passiert? Lange Zeit nichts. Und dann hat uns eine Wohnung gefunden. Oder doch wir sie?
Das Märchen beginnt
Lockdown. Ausgangssperre Anfang 2022. Ich flitze zum Briefkasten und komme mit einem Ehepaar, das wir bis dahin nur vom Sehen kennen, ins Gespräch. Interessiert fragt sie mich: Ach, ihr wohnt da im 1. und 2. Stock. Habt ihr einen Balkon? Beides trifft nicht zu.
Wir bewohnen nur den 2. Stock, ohne Balkon. Knuffig knappe 60qm. Ich füge an: Wir suchen schon lange, hätten gerne etwas mehr Platz und einen Balkon oder Terrasse. Und gerne hier in unserem Stadtteil.
Die Nachbarin erwidert: Bei uns gegenüber ist eine Wohnung frei. Das weiß ich. Die alte Dame, die dort gewohnt hat, ist Anfang des Jahres verstorben. Ich weiß jedoch nicht, wer der Hausbesitzer ist und ich kenne auch die Angehörigen der Verstorbenen nicht. Und ich wollte nicht pietätlos erscheinen.
Nun ist die Chance da! Mehr über diese Wohnung zu erfahren. Und ja: Reden hilft. Immer! Und so erfahre ich, dass die Wohnung geräumt wird. Und dass der Hausbesitzer im Nachbarhaus lebt und sie erneut vermieten möchte. Ich plaudere noch ein wenig mit der Nachbarin und gehe dann ich schnurstracks zum Schreibtisch.
Bewerbung für eine Wohnung
Das ist „unsere neue Wohnung“. Daran glaube ich ganz fest.
Die meisten Häuser in unserer Straße sind ähnlich gebaut und stammen aus den 1920er Jahren. Größtenteils befinden sich zwei bis drei Wohnungen im Gebäude, umsäumt von einem Garten.
An der „neuen Adresse“ sehe ich, dass dieses Haus um einen Quader nach hinten angebaut ist und über eine Terrasse verfügt. Also genau wonach wir uns schon so lange sehnen. Mehr Platz und ein grünes „Außen-Zimmer“.
Ich bin, wenn ich an etwas glaube und begeistert bin, ein spontaner und fast euphorischer Mensch. Also ran an den Rechner. Ich schreibe eine „Bewerbung“. Mal ein ganz anderer Weg, um an eine neue Wohnung zu kommen.
So habe ich uns beide, unsere Wohn- und Arbeitssituation, unsere Träume und Wünsche in einem lockeren Schreiben formuliert. Korrektur gelesen, ausgedruckt, einkuvertiert und sofort dem Hausbesitzer in den Briefkasten gesteckt. Uups, mein Puls war ganz schön hoch. Die Aufregung auch. Und Zweifel, was mein Lieblingsmensch von meiner Schnaps-Idee wohl halten würde.
Der ist ganz ruhig, als ich ihm am Abend davon erzähle, absolut entspannt. Findet mein Vorgehen gut. Und die Idee von „unserer neuen Wohnung“ auch.
Nun heißt es warten. Lange warten. Mehrere Wochen herrscht Stille. Wir kennen die Hausbesitzer ja nicht wirklich. Trauen uns nicht, nachzufragen. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als auf ihre Rückmeldung zu warten.
Der „erlösende“ Anruf
Der schon fast nicht mehr erwartete Anruf kommt an einem Sonntag. Und mit ihm die direkte Einladung zur Besichtigung. Verbunden mit den Hinweisen, dass die Wohnung über ein sehr altes Badezimmer – sprich, ein äußerst hässliches – verfüge. Und einen Kamin, den man nicht benutzen darf.
Ihr ahnt es längst: Es ist Liebe auf den ersten Blick! Das Märchen hat ein Happy End. Die Wohnung gehört uns! Mit einem Mietvertrag zu fairen Bedingungen.
Nun sind wir endlich angekommen.
So richtig.
In unserem Nest.
Unserem Seelenort.
Schöner Wohnen mit Wunder
Es gibt Räume, in denen man sich sofort wohl und angekommen fühlt. So ergeht es uns in der komplett leeren und kalten Wohnung bei der ersten Besichtigung. Wir sind angenehm überrascht ob der Raumhöhe, dem Schnitt der Räume, der großen Fenster und der Terrasse. Einen kleiner Wermutstropfen stellt der Kamin dar. Wir haben jedoch sofort die Zuversicht, ihn dekorativ einbinden zu können.
Schwieriger ist es, Liebe zum Badezimmer zu entwickeln. Ich sage nur: 1970er Jahre – Moosgrün mit weiß überstrichenen Fliesen, von denen sich die Farbe löst. Aber: Manchmal geschehen auch in Badezimmern Wunder!
Während wir zweifelnd im unattraktiven Badezimmer stehen, sagt der Hausbesitzer: Wenn Sie den Mietvertrag zum 1.4.22 abschließen, saniere ich das Badezimmer. Ohne die Miete zu erhöhen. Noch ein Beitrag zu unserem Märchen.
Was macht eine Wohnung zu einem Seelenort?
Nun leben wir seit gut eineinhalb Jahren in unserer schönen Wohnung. Und ja, sie ist zu unserem Seelenort geworden. Sofort. Warum das wohl so ist?
Ich glaube, wir haben unser Nest mit Muße, Zeit und Liebe eingerichtet. Mit Möbeln, Farben und Accessoires, die wir mögen. Die uns wichtig sind. Das strahlt Gutes aus. Und das spüren wir.
Ich arbeite in einem schönen Geschäft für Wohn-Accessoires, Möbeln, Wohntextilien und Geschirr. Und habe öfter den Eindruck, dass manche Menschen ihre vier Wände für andere gestalten, quasi zu Showzwecken.
Als wir unsere Küche auswählen, hören wir bei anderen Interessenten im Möbelgeschäft öfter: Das hat man jetzt so! Wir schauen uns an, schütteln den Kopf und machen weiter unser Ding. Wir mögen unsere graue „Landhausküche“. Der derzeit so hippe matt-schwarze Look würde nicht zu uns passen. Und – uns interessieren Trends nicht wirklich. Wir schauen sie uns an. Bewerten sie nach unseren Maßstäben. Und vertrauen dann auf unser Bauchgefühl.
Und so gestalten wir mit Liebe und Bauchgefühl unser Reich. Mit Altem, Geliebtem und Neuem. Das darf sich noch weiter entwickeln. Einige lieb gewonnene Bilder suchen noch ihren Platz. Stellenweise fehlt Farbe; sowohl an den Wänden als auch bei Accessoires. Wobei – Stehrümchen sind bei uns rar. Außer sehr, sehr lieb gewonnene.
Auch das Bad ist fertig saniert. Lärm, Staub und Stress haben sich gelohnt. Jetzt ist es ein Schmuckstück!
Was tun, wenn man kein Lieblingszimmer hat?
Kürzlich fragt eine Freundin: Welches ist Dein Lieblingszimmer? Ich zuckte mit den Schultern und erkläre, dass ich kein Lieblingszimmer habe. Dafür aber ganz viele, sehr geliebte Plätze.
Ich halte mich unglaublich gerne in unserer Küche auf. Am Block in der Mitte des Raumes. Dort gibt es viel Licht und ideale Bedingungen zum Schnippeln und Vorbereiten. Oder für Küchenpartys.
Ich liebe unsere Terrasse. Im Frühjahr und Sommer liegt sie als Erstes im Sonnenlicht. Der beste Platz für meine Morgenzeilen und einen Cappuccino.
Im großen Wohnraum habe ich gleich mehrere Lieblingsplätze. Den großen, schweren Holztisch. Am liebsten rundum besetzt mit lachenden Menschen. Oder den bequemen Ohrensessel am Kamin. Ein wunderbarer Bereich zum Schmökern, nachdenken oder einfach mal träumen. Geht auch sehr gut ohne knisterndes Kaminfeuer! (Wobei wir schon bedauern, ihn nicht nutzen zu dürfen. Aber – das hat auch etwas Gutes: weniger CO₂, weniger Schmutz).
Und dann unsere Couch. Wunderbar, auch dort die Füße hochlegen zu können.
Die Freundin lächelt und meint: Ich spüre schon, die gesamte Wohnung ist euer Nest, euer Rückzugsort, ein großer und wichtiger Lieblingsplatz. Schön, dass es euch hier so gut geht.
Und dann ruft sie ganz erstaunt aus: Schau mal, da ist ja ein Grünspecht! Und da ist noch einer! Nach ihrem begeisterten Ausruf war „unser Grünspecht-Pärchen“ natürlich weggeflogen.
Aber ja, so ist es. In Frankfurt, in unserem grünen Stadtteil, besuchen durchaus Grün- oder Buntspechte den Garten. Genauso wie zahlreiche Eichhörnchen. Oder Amseln, die so gerne im kleinen Brunnen auf der Terrasse ihr Bad nehmen. Auch die Tiere scheinen sich hier sehr wohl zu fühlen.
Epilog
Anfang Januar 2022 besuchte ich einen Workshop zur Entwicklung und Gestaltung eines Vision-Boards für das anstehende Jahr. Den beiden Trainerinnen war es ganz wichtig, auf spielerische und kreative Art den eigenen Visionen auf die Spur zu kommen. Und diese dann auch sehr schön und hochwertig zu visualisieren.
Du ahnst es wahrscheinlich schon: Eine meiner Visionen war eine neue Wohnung. Und es hat funktioniert! Obwohl ich an solche Manifestationen, eigentlich, nicht wirklich glaube!
Christine Ubeda Cruz
Christine Ubeda Cruz ist waschechte Frankfurterin. Davon soll es nicht viele geben. Sie lebt und liebt schon immer in der kleinen Großstadt am Main.
Noch scheut sie, sich Autorin zu nennen. Doch sie schreibt, und schreibt und schreibt. Ihre große Vision: Ihr eigenes Buch auf dem Stapel der Neuveröffentlichungen in der Buchhandlung zu sehen. Bis dahin hat sie eine Mission: Als Frau vom Main den Alltag ihrer Leser:Innen mit kurzen Geschichten zu versüßen. Die zum Kopf schütteln, heftig nicken und/oder – das am liebsten – zum Lächeln veranlassen.
Die Ideen zu ihren Beiträgen liefert das Leben, Alltägliches, Schönes, in Vergessenheit Geratenes und vieles mehr. Das kann auch eine Geschichte über „Brot“ sein.
Mehr Geschichten der Frau vom Main findest Du auf ihrem Blog:
https://www.frauvommain.de
Bei Facebook:
https://www.facebook.com/ChristinesBlog
Und Instagram:
https://instagram.com/frauvommain
Lust auf noch mehr Wohngespräche? Hier entlang, bitte!
Liebe Christine, ich stelle fest: Es lohnt sich, zu warten, bis die richtige Wohnung kommt. Wie schön, dass ihr euer Nest gefunden habt, und das noch so nah.
Ich wünsche euch dort viele glückliche Stunden!
Liebe Grüße Ulrike
Danke liebe Ulrike! Ja, warten kann sich lohnen 🙂