Nach einer großzügigen Weinverkostung und einem köstlichen Mittagessen in der Bodega Piattelli – die dichte, samtige Malbec-Note noch auf der Zunge – ruckelt unser Jeep durch die Quebrada de Cafayate. Die Landschaft ist überwältigend. Ein Spektakel aus Rot, Ocker, Violett und hin und wieder grünen Sprenkeln. Es ist eine dieser seltenen Fahrten, von denen ich mir wünsche, sie möge nie zu Ende gehen.
Der Tourguide, dessen dunkle Stimme die Gelassenheit eines Mannes hat, der sein ganzes Leben zwischen Kakteen und Gestein verbracht hat, zeigt auf die Formationen. El Obelisco, erklärt er. El Anfiteatro. El Fraile. Ich habe Mühe, die Figuren im vom Wind zerfurchten Gestein auszumachen und nicke mehr oder weniger interessiert; eher weniger.
Und dort drüben, fährt er unbeirrt fort … El Niño Cristo en la Encrucijada, das Christkind an der Kreuzung.
Ich blinzele. Inmitten der skurrilen Felsformationen sehe ich tatsächlich ein kleines, verwittertes Wesen. Allein und verlassen steht es da und scheint mich aus hellgrauen Steinaugen durchdringend anzublicken. Versucht es, einen Fuß zu heben?
Der Tourguide schweigt einen Moment, dann beginnt er zu erzählen.
Vor langer Zeit wanderte El Niño durch diese Gegend. Es hatte Geschenke dabei – keine Spielsachen, sondern die großen und wichtigen Dinge: Friede, Freude, Freiheit … und sicher auch einen guten Tropfen Wein. Er zwinkerte mir zu.
Eines Tages kam es an diese Kreuzung. Links führte der Weg in eine schillernde, mondäne Stadt – voller glitzernder Fassaden, eleganter Restaurants und prächtiger Theater. Rechts hingegen lag ein kleines, abgeschiedenes Dorf, still und vergessen, mit nur wenigen Einwohnern.
Geradeaus? Nur ödes Land, so weit das Auge reichte. Umkehren? Unvorstellbar. Das Christkind wollte alles richtig machen. Es wollte zur perfekten Zeit, den perfekten Ort finden und die perfekten Menschen, die seine Gaben verdienten.
Ich schaue ihn erstaunt an. Und dann?
Nichts. Es blieb einfach stehen, denn es konnte sich nicht entscheiden. Nur für einen Moment, sagte es sich, um nachzudenken.
Dieser Moment dauerte ein paar Jahre. Aus ein paar Jahren wurde ein Jahrzehnt und aus dem Jahrzehnt irgendwann ein Jahrhundert und schließlich war das Christkind nur noch Teil der Landschaft. Starr und unbeweglich.
Die einst so vielversprechenden Geschenke verwuchsen mit seinen Händen und niemand konnte sie mehr nehmen. Die Zeit hatte sie nutzlos gemacht. So wie die altmodische Weihnachtsdeko, die niemand mehr vom Dachboden holt, fügte er ironisch lächelnd hinzu.
Den Rest der Fahrt verbringen wir in Schweigen. Die bizarre Landschaft rauscht an uns vorbei und am Ende des Tals folgten wir einem Fluss.
Je näher wir der Stadt kommen, desto weniger sicher bin ich mir, ob ich diese Geschichte tatsächlich gehört oder doch nur geträumt habe.
Was will mir das Christkind sagen? Hat es eine Botschaft für mich – und für dich?
Warte nicht ewig auf den perfekten Moment – vielleicht kommt er nie. Es gibt nicht die einzige, perfekte Entscheidung. Mach dich auf den Weg, auch wenn er voller Umwege ist. Selbst ein Irrweg bringt dich weiter als Stillstand. Was dich versteinert, ist die Angst, überhaupt eine zu wagen.
Sei nicht wie das Christkind an der Kreuzung. Mach einen Schritt. Und dann noch einen und noch einen. Befreie dich vom Staub und vom Mief. Atme durch. Draußen wartet viel mehr auf dich, als ein kratziger Pullover, den du vielleicht irgendwann einmal brauchen könntest.
PS.: Im Oktober 2014 waren mein Mann und ich in Argentinien unterwegs. Unsere atemberaubende Tour durch die Quebrada de Cafayate brachte mich auf die Idee mit dem versteinerten Christkind an der Kreuzung. Diese Felsformation gibt es dort nicht; sie entstammt meiner Fantasie.
Wer schreibt hier?
Ich bin Uli Pauer und ich unterstütze dich, Dinge loszuwerden, die für dich nur noch Ballast sind. Sachen, die dir schon lange im Weg und ein Dorn im Auge sind.
Ich bezeichne mich scherzhaft als „Zerstückelungs-Expertin“, weil ich große Ausmist-Projekte in alltagstaugliche Aufgaben zerteile. Und auch deshalb, weil ich ein großer Krimi-Fan bin.
Bei mir ist Tun angesagt.
Und Klartext – No Bullshit 🙂
Und Humor.
Meine Leidenschaft:
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