Februar 2022 ist der Monat, den ich zum ersten Mal zur Gänze in einem anderen Land – in Costa Rica – verbringe. Insgesamt sind mein Mann und ich fast 7 Wochen „auf Urlaub“. So viel Ferienzeit auf einmal hatte ich zuletzt als Schülerin.
Costa Rica ist keine neue Urlaubsdestination für uns. Wir fahren seit 20 Jahren nach Playa Samara, wo wir ein kleines Ferienhaus besitzen. In all den vergangenen Jahren war mein Urlaub immer auf 3 bis 4 Wochen beschränkt. D.h. ich reiste später an und früher ab als mein Mann, der schon im Ruhestand ist. Das war immer ein Wermutstropfen für mich. Nicht so dieses Jahr, wo wir beide „all-in“ sind.
Der verstorbene Schauspieler Ben Cross, ein Freund meines Mannes, fragte ihn vor vielen Jahren mit dröhnend theatralischer Stimme: What are you doing, JIM? More NOTHING???
Groundhog Month
„More nothing“ ist eine gute Beschreibung für unseren jährlichen Costa Rica Urlaub. „Groundhog Month“ trifft es auch perfekt. Das Haus in dem kleinen Küstenort ist unser Retreat. Hierher kommen wir, um der Winter-Kälte und dem Winter-Grau in Wien zu entfliehen. Unser Fokus liegt auf „leben“ und weniger auf „erleben“.
In ferne Länder reisen
Reisen?! Ein Ziel, das auf vielen Vision-Boards und Bucket-Listen zu finden ist. Etwas, das auch ich in den letzten 35 Jahren intensiv gemacht habe. Von A bis Z – von Albanien bis Zypern. Vor einigen Jahren ist mir aufgefallen, dass ich einen gewissen Sättigungsgrad erreicht habe.
An einem heißen Frühlingstag waren wir in Albanien am Weg zu einer Burg, die hoch über dem Ort thronte. Links und rechts der Straße, die uns hinauf zum Fort führte, hatten die Souvenirhändler ihre Stände aufgebaut. Sie priesen ihre Ramschwaren an; die üblichen T-Shirts, Tassen und „Handwerkskunst“ made in China. Oben angekommen, machte ich pflichtschuldig ein paar Allerweltfotos und zwei Minuten, nachdem ich gelesen hatte, wann diese Burg gebaut wurde und welche Schlachten hier ausgefochten wurden, hatte ich alles auch schon wieder vergessen.
Woran ich mich allerdings noch erinnern kann, ist das Gespräch mit meinem Mann. Ich sagte ihm, das wäre das letzte Fort, das ich betreten würde. Auch die letzte Burg und das letzte Schloss. Vor meinem geistigen Auge zogen all die imposanten Bauwerke vorbei, die ich in den letzten Dekaden besucht hatte und ich dachte: „Es reicht!“
Voraussichtlich werde ich irgendwann wieder mehr Lust haben, neue Destinationen zu erkunden, aber in den letzten Jahren haben sich unsere Urlaube auf Tirol im Sommer und Costa Rica im Winter beschränkt – Sommerfrische und Winterwärme – und viel Natur und Wandern anstelle von Museen, Kirchen, Tempeln und anderen Bauwerken. Nicht dass ich etwas gegen Architektur einzuwenden hätte, schließlich bin ich auch in Wien davon umgeben.
Meine to-do-Liste für den Urlaub hat mir oft Stress bereitet. Ich fühlte mich z.B. „verpflichtet“, ein Museum aufzusuchen. Man kann doch nicht in Paris gewesen sein, ohne das Musée d’Orsay besucht zu haben oder in Barcelona, ohne das Dali Museum gesehen zu haben oder in Amsterdam, ohne das Anne-Frank-Haus betreten zu haben, usw. usf.
Dabei waren es selten die „Sehenswürdigkeiten“, die mir von den Reisen in Erinnerung geblieben sind, sondern Begegnungen, Gespräche und Gefühle. Das kleine Café in Barcelona, wo meine Tochter und ich jeden Tag gefrühstückt haben; die wundervoll flaumigen Croissants, die man nur in Paris bekommt; die Feigenmarmelade-Verkäuferin in Berat (Albanien), deren Sohn nach New Jersey ausgewandert war; das schäbige Hotel in Ani (Türkei), wo in der Früh ein Schaf zur Rezeption marschierte; der in pinke Jogging-Hosen gekleidete Tourist (für den ich mich fremd-geschämt habe) im Restaurant der noch immer mondänen Hill-Station in Indien; die dürren Kühe in Rajasthan, für die ich Krautköpfe gekauft habe; der einbalsamierte Leichnam eines egozentrischen Millionärs in Hongkong, bei dessen Anblick ein Brillenglas meines Ex-Mannes heraussprang … und vieles mehr.
Nun kann man natürlich einwenden: „Wärest du nicht an die türkisch-armenische Grenze gereist, hättest du auch das Schaf an der Hotelrezeption verpasst“. Auch die fantastischen Croissants in Paris hätte ich niemals gegessen, wäre ich immer nur in Wien geblieben. Das stimmt zweifellos.
Aber es sind fast nie die geplanten Highlights, die nachhaltige Erinnerungen produzieren, sondern meistens die unerwarteten Kleinigkeiten und Begegnungen.
Urlaub im Alltag
Im Alltag beachten wir diese Dinge meist gar nicht. Dabei sind wir auch zuhause davon umgeben, wenn wir nur genauer hinschauen und uns die Zeit dafür nehmen. Für mich ist das Blogformat 12von12 DIE monatliche Erinnerung, die magischen Momente eines Tages zu sehen und in Bild und Text festzuhalten. Schlussendlich besteht unser Leben aus den vielen kleinen Momenten und Augenblicken. Oft bedarf es nur eines winzigen Perspektivenwechsels, um sie zu erkennen. Wir können uns entscheiden, jeden Tag diese magischen Momente willkommen zu heißen.
Dazu ist es hilfreich, dass der Alltag nicht mit zu vielen Dingen und Verpflichtungen vollgestopft ist und wir das Hamsterrad von noch mehr Arbeit und noch mehr Konsum zumindest verlangsamen.
Unser Feriendomizil
Die Dinge, die wir im Ferienhaus haben, halten sich in überschaubaren Grenzen. Alles ist übersichtlich und an seinem Platz. Vor einigen Jahren habe ich einmal alles auf den Kopf gestellt und sämtliche Einbauschränke, Regale, Schubladen und die großen Plastikboxen ausgeräumt und aussortiert. Viele Sachen haben wir verschenkt. Auch Ferienhäuser können entrümpelungstechnisch zur Falle werden. Bei zuhause ausrangierten Sachen kommt leicht der Gedanke auf: „Das könnte ich ins Ferienhaus mitnehmen“. Aber nur in den seltensten Fällen ist das eine gute Idee, sondern meistens nur eine Ausrede, sich nicht sofort um die Entsorgung kümmern zu müssen. Den Topf, den du schon zuhause nicht verwenden mochtest, willst du auch im Feriendomizil nicht verwenden. Und das T-Shirt, das unter den Achseln zwickt, zwickt auch im Ferienort ganz genauso.
Unser Urlaub in Costa Rica hat ein Ziel: Nichts-Tun und Entspannung in einer wunderschönen Umgebung. Natürlich tun wir nicht „nichts“. Aber unsere Tage hier sind geprägt von einem immer wiederkehrenden Tagesablauf, die neben den Mahlzeiten (gemeinsam kochen oder ausgehen, je nachdem worauf wir Lust haben) folgendes beinhalten: Am Strand spazieren gehen, Dehnungsübungen machen, Schwimmen, Lesen, Podcasts oder Musik hören, lange Gespräche führen, die Coatis beobachten oder einfach in die Luft schauen; am Wochenende mit den Nachbarn Petanque spielen. Dieses Jahr kommt für mich noch Bloggen und an meinem Online-Business arbeiten hinzu. Wie ein typischer Tag an unserem Urlaubsort ausschaut, kannst du im 12von12-Februar2022-Artikel nachlesen.
Schon nach wenigen Tagen fühle ich mich komplett relaxed und ausgeglichen. Dinge, die mich in Wien furchtbar auf die Palme bringen, sind hier maximal kleine und vorübergehende Irritationen. Auch das Bloggen geht in Samara besser voran als in Wien. Es ist nicht so sehr die Zeit, die ich hier mehr habe, sondern der Fokus, der durch eine gute Tagesstruktur entsteht. Es gibt viel weniger Ablenkungen. Ich kann z.B. nicht ständig Online sein oder Videos anschauen, denn die Internetverbindung ist dürftig und die Gigabyte sind beschränkt. Wir haben kein Radio, keinen Fernseher oder Videorekorder und können auch nicht streamen. Entertainment und (bad) News sind begrenzt. Dafür haben wir viel Zeit und Struktur. Und das ist eine wahre Wohltat. Die Wochen, die ich in Costa Rica verbringe, zeigen mir jedes Mal aufs Neue, wie weniger Dinge und Verpflichtungen zu mehr Lebensqualität führen.
Was „sonst“ noch los war im Februar
Das Wörtchen „sonst“ klingt viel zu harmlos für den Ausbruch eines Krieges. Aber auch hier mit instabilem Internet und weit weg vom Kriegsschauplatz Ukraine haben wir die alarmierenden Nachrichten verfolgt. Ich habe meiner 91jährigen Mutter Trost zugesprochen. Wenngleich, welchen Trost gibt es in einer Lage wie dieser? Sie hat als junges Mädchen den 2. Weltkrieg erlebt und weiß, wie es angefangen hat.
Was können wir konkret tun? Wir können spenden und den Flüchtlingen helfen, die bei uns Schutz suchen. Wir können darüber reden und schreiben. Und wir können uns auf den Weg zu mehr Einfluss und Erfolg machen (Schritt für Schritt) und einander gegenseitig unterstützen. Denn nur so werden wir die Stärke gewinnen, um die patriarchalen Strukturen und die dumm-gefährlichen Geschichten von Blut und Boden und Macht und Ehre in der Versenkung der Geschichte verschwinden zu lassen.
Vorschau auf März
Mein erster Online-Kurs ist im Entstehen. Die Anmeldung und Details für meinen ersten Kurs, den ich um 0 € und gegen Feedback und Testimonial (wenn er gefällt) anbiete, ist hier zu finden – klicke auf Clean House Club!
The Clean House Club ist geöffnet!
Der Kurs beginnt am 14.3.2022 und dauert 4 Wochen (= 4 Module), d.h. bis zum 10.4.2022. Wir rücken gemeinsam dem Ballast auf den Pelz und komplimentieren überflüssige und nicht mehr benötigte Dinge aus dem Haus.
Für den Kurs suche ich Frauen (Männer dürfen selbstverständlich auch mitmachen), die sich von unnötigem Ballast trennen möchten, damit sie wieder mehr Raum, Energie und Klarheit gewinnen.
So lässig. Wirklich tolles Lifedesign.
Ich kann deine neue Haltung sehr gut nachvollziehen. Obgleich ich im Süden von Wien schon lange wieder Fernweh habe. Tolle Croissants gibt es bei unserem Franzosenbäcker. Ok. Guten Humus bekomm ich bei meinen Freunden. Ok. Aber dieses wunderbare Mehr-von-Nothing das lockt gewaltig.
No thing.
Ich bereite gerade meine Übersiedelung in eine neue Bleibe vor.
Vielleicht ist das ein verdammt guter Zeitpunkt bei deinem Kurs dabei zu sein.
Schöne Zeit dir. All the best, Michaela
Liebe Michaela, vielen Dank für dein Feedback! Wenn du eine Übersiedlung planst, dann ist das wirklich der perfekte Zeitpunkt, um auszumisten und zu entrümpeln.
LG – Uli