Freitag, der 12. Mai 2023 ist der 132. Tag des gregorianischen Kalenders, somit bleiben 233 Tage bis zum Jahresende. Das Wetter in Wien ist wechselhaft. Es ist bewölkt und dazu regnet es auch immer wieder. Es weht lebhafter Ostwind und die Temperatur kommt kaum über 13 Grad hinaus.
Die Kronenzeitung informiert mich, dass härtere Strafen für Klimakleber gefordert werden und dass Österreich ins Finale des Eurovision Songcontest eingezogen ist. Who the hell is Edgar, denke ich mir. Und vor allem: Wo hält sich mein persönlicher Edgar versteckt?
Das Hochzeitskleid der damals 16-jährigen Kaiserbraut Sisi ziert das Titelblatt der heutigen Zeitung. Es wurde aufgrund der noch vorhandenen Schleppe rekonstruiert und kann in der Wagenburg in Schönbrunn besichtigt werden. Man mag es kaum glauben, aber es gibt keine Fotos und Videos dieser Hochzeit. Dafür ist folgende Aussage der Kaiserin überliefert:
Die Ehe ist eine widersinnige Einrichtung. Als fünfzehnjähriges Kind wird man verkauft und tut einen Schwur, den man nicht versteht und dann 30 Jahre oder länger bereut und nicht mehr lösen kann.
Brigitte Hamann: Elisabeth. Kaiserin wider Willen
Glücklicherweise müssen wir uns nicht mehr mit lebenden Exemplaren der Adelsklasse herumschlagen; renitente deutsche (!) Adelige wie Ernst August von Hannover mal ausgenommen.
Die Zeitung warnt außerdem vorm Vormarsch der Riesenzecken und Tigermücken aufgrund des Klimawandels. Dennoch ziehe ich todesmutig meine Jacke an und mache mich auf den Weg zum Einkauf meines Lieblingsgebäcks, dem Salzstangerl.
Im Supermarkt sind um diese Zeit noch wenige Kunden. Dafür ist das Personal um so eifriger bei der Arbeit und schleppt Kisten mit Gemüse herbei.
Historisches – Liebe und Verrat
In der Gegenwart gibt es inländische Gurken, Tomaten und Spargel, aber historisch gesehen, ist der 12. Mai ein Tag der Umbrüche und Neuanfänge. Auch Krönungen, Ernennungen, Rücktritte und Hochzeiten finden an diesem Tag statt.
Der Kreuzritter
Am 12. Mai 1191, d.h. vor 832 Jahren, heiraten der englische König Richard Löwenherz und Berengaria von Navarra in Limassol auf Zypern. Liebe scheint wenig im Spiel zu sein; zumindest konnte ich keine Quellen dazu finden. Der König begibt sich nach der Vermählung sofort wieder auf den Dritten Kreuzzug; von einer romantischen Hochzeitsreise ist in den historischen Dokumenten nichts vermerkt.
Das Interesse Richards an seiner Gattin scheint gering. Es ist unklar, ob die Ehe überhaupt je vollzogen wurde; Kinder entstammen dieser Verbindung jedenfalls keine. Sie ist die einzige englische Königin, die England nie betreten hat. Nach dem Tod ihres Mannes 1199 (der Überlieferung zufolge stirbt er in den Armen seiner Mutter, und nicht in denen seiner Gattin), muss sich Berengaria mit den zahlungsunwilligen Engländern herumschlagen, die ihr bis 1215 die Zahlung der Pension verweigern, die ihr als ehemalige, verwitwete Königin zusteht. Die Liebe zueinander war wohl kein Thema; die finanzielle Abfindung hat sie schlussendlich aber bekommen.
Der Frauenheld
Am 12. Mai 1743, d.h. vor 280 Jahren, lässt sich Maria Theresia im Prager Veitsdom zur böhmischen Königin krönen. Ebenfalls an einem 12., nämlich dem 12. Februar 1736 heiratet sie Franz Stephan von Lothringen. Kaiserin wird sie erst 1745 als Ehefrau, denn diesen Titel überlässt sie ihrem Mann, der jedoch politisch wenig Einfluss hat.
Vom Wiener Hof wird er als Frauenheld abgestempelt, der außerehelichen Beziehungen ganz und gar nicht abgeneigt ist. Sehr zum Missfallen seiner Gattin, die auf einem gemeinsamen Schlafzimmer besteht, was in der damaligen höfischen Gesellschaft als sehr untypisch, ja sogar entmannend gilt!
Anstelle sich politischen Fragen zu widmen, unternimmt er lieber Jagdausflüge und Geschäftsreisen; immer von den Spitzeln seiner Gemahlin verfolgt, die – wohl nicht zu Unrecht – ehebrecherische Umtriebe vermutet.
Franz Stephans Rückzug aus dem politischen Tagesgeschäft wird ihm indes als Faulheit und Desinteresse ausgelegt. So berichtet der preußische Gesandte Graf Heinrich Podewils folgendes: „Er weiß sich mit keiner Arbeit gründlich zu befassen. Er hasst die Arbeit, ist wenig ehrgeizig und kümmert sich so wenig wie möglich um die Regierungsgeschäfte.“
Von seiner Gattin wird er dennoch innig geliebt. Immerhin entstammen der Ehe 16 Kinder.
Der Verräter
Die Liebe spielt auch eine gewisse Rolle am 12. Mai 1937, d.h. vor 86 Jahren. An diesem Tag wird George VI. in der Westminster Abbey feierlich zum britischen König gekrönt, nachdem sein Bruder Edward VIII. im Jahr davor abgedankt hat. Als Grund wird angeführt, dass sowohl die britische Regierung als auch die Church of England nicht mit der Wahl seiner künftigen Ehefrau – der geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson – einverstanden sind.
Über viele Jahrzehnte hinweg arbeitet sich die Regenbogenpresse am Herz-Schmerz-Thema ab, wonach unsterbliche Liebe und starre höfische Regeln zur Abdankung von Edward VIII. geführt haben sollen. Aber ist es wirklich nur Liebe? Und vor allem Liebe zu wem? Wallis und David (wie Edward VIII von seiner Familie genannt wird) haben schon vor der Hochzeit Kontakte zu hochrangigen Nationalsozialisten und dem späteren Kurzzeitkönig wird nachgesagt, dass er ein überzeugter Anhänger von Hitler ist.
Joachim von Ribbentrop, deutscher Botschafter in London, späterer Außenminister des Dritten Reichs und hingerichteter Kriegsverbrecher, soll eine Affäre mit Wallis Simpson gehabt haben. Bereits zu Lebzeiten von George V. (Edwards Vater) hat der britische Geheimdienst die beiden überwacht. Ist es möglich, dass die obsessive Passion Edwards VIII. zur geschiedenen Wallis der Politik gerade recht kam, um ihn abdanken zu lassen? Ist es nicht viel bequemer, sich von einem Monarchen zu verabschieden, der unsterblich in die „falsche“ Frau verliebt ist, als ihn als Hochverräter vor ein Gericht zu stellen.
Wallis Simpson hat fortan die Rolle der kalten und berechnenden Femme fatale sowie der Frau, die Schuld daran trägt, dass ein König auf seine Krone verzichtet, sein Land und seine Familie im Stich lässt und fortan ein trauriges Leben im Exil verbringen muss.
Probably the biggest lie in this fable is that Wallis lured Edward from his destiny. It was Edward, then king, who forced her into this untenable position. In the name of his needy love, Wallis paid the ultimate price: entrapment by a childish narcissist who threw the largest tantrum in history when he could not have the two things he wanted most in the world: Wallis and the throne.
Anna Pasternak: The American Duchess
Dem Herzog von Windsor wird eine obsessive und besitzergreifende Leidenschaft zu Wallis nachgesagt. Wallis Freundin Constance Coolidge hat der Journalistin Helen Erskine nach Edwards Abdankung dazu folgendes gesagt:
Can you imagine a more terrible fate than to have to live up publicly to the legend of a love you don’t feel? To have to face, morning, noon and night, a middle-aged boy with no other purpose in life than a possessive passion for you?
Andrew Lownie: Traitor King
Am 3. Juni 1937 heiraten Edward und Wallis. Ihre Hochzeitsreise, die sie in Kärnten verbringen, führt sie auch nach Wien.
Noch im selben Jahr statten die beiden Deutschland eine 2-wöchige „Studienreise“ ab. Sie besuchen Fabriken und ein SS-Ausbildungslager. Sie werden von Hitler wie Staatsgäste am Obersalzberg in Berchtesgaden empfangen. Der ehemalige König scheint vom „Führer“ begeistert zu sein. Hofft er etwa, dass er als Statthalter von Hitlers Gnaden nach London zurückkehren wird?
Folgendes Zitat wird ihm nachgesagt:
After the war is over and Hitler will crush the Americans … We’ll take over … They (the British) don’t want me as their King, but I’ll be back as their leader.
Andrew Walker, BBC, 29th of January 2003: Profile Edward VIII
Glücklicherweise ist es nicht dazu gekommen.
Geburtstagsfeiern
Meine Freundin Irene hat zum Geburtstagsfrühstück bzw. Brunch eingeladen. Wir feiern ihren und meinen Geburtstag nach. Ich mache mich mit Prosecco, Orangensaft und Erdbeeren beladen auf den Weg. Es regnet. Ich gehe im Zickzack, um auf keine der vielen Weinbergschnecken zu treten, die sich „beeilen“ von der Straße wegzukommen.
Es ist schon alles bereit. Wir öffnen den Prosecco und stoßen auf unsere Freundschaft, das neue Lebensjahr und den neuen Lebensabschnitt an.
All-In Gänsehäufel
Ich wohne seit Jahrzehnten in Kaisermühlen, aber bisher habe ich mir noch nie eine Saisonkarte von Wiens berühmtestem und bekanntestem Sommerbad – dem Gänsehäufel – gegönnt. 2023 ist anders. Diesmal bin ich all-in. Die Wiener Bäder sind seit 1. Mai geöffnet und die Saisonkarten-Besitzerinnen konnten schon Ende April „einziehen“. Heute ist es auch bei mir so weit und ich ziehe mit meiner neu angeschafften Sonnenliege im Gänsehäufel ein. Sonne scheint zwar keine und ich nutze eine kleine Regenpause, um ins Bad zu gehen. Die Angestellten tragen dicke Jacken und erwarten offenbar keine Gäste, aber ich bekomme meine Schlüssel ausgehändigt.
Ich freue mich, dass ich nun ein 333.000 Quadratmeter großes Gelände samt Personal mein Eigen nennen kann und nehme mir vor, das Bad so oft wie möglich – selbst bei „schlechtem“ Wetter – aufzusuchen. Wellenbecken, Sportbecken oder doch lieber den wunderbaren Strand der Alten Donau? Das Gänselhäufel hat alles, was das Herz begehrt.
Die luxuriöse Ausstattung gibt es anfangs nicht. Um 1900 entdeckt Florian Berndl bei Wanderungen die Insel in der Alten Donau, die er schließlich um 15 Gulden pro Jahr pachtet. Er zieht mit seiner Familie in eine Hütte. Das Luft- und Sonnenbad Gänsehäufel wird bald auch Anziehungspunkt für viele Wienerinnen und Wiener. Konservativen Kreisen ist das gemeinsame Baden von Frauen und Männern jedoch ein Dorn im Auge. Der Pachtvertrag wird 1905 unter dem Vorwand annulliert, dass Berndl keine Konzession für die Kantine im Bad besäße. 1907 wird das Strandbad schließlich von der Stadt Wien übernommen und seither von ihr geführt.
Niedergang eines Ermittlers
Für heute habe ich genug von Aktivitäten. Ich widme mich dem E-Book, das ich zuletzt via Onleihe hochgeladen habe.
Das Buch „Ein Versprechen aus dunkler Zeit“ von Ian Rankin hätte mit einer Triggerwarnung versehen werden müssen. Seit John Rebus, Hauptprotagonist der Inspector Rebus Serie, in Pension geschickt wurde, habe ich aus Protest keinen dieser Kriminalromane mehr gelesen. Pension ist ja in Ordnung, aber dass der Autor ihn dann postwendend als sogenannten Rentner-Cop zurückkehren lässt, habe ich nie verstanden.
Im Band 23 der Serie muss ich nun erfahren, dass John Rebus an COPD erkrankt ist, und zwar so schwer, dass er die Stufen zu seiner Wohnung in den 2. Stock nicht mehr schafft und daher dabei ist, ins Erdgeschoss zu übersiedeln. Noch dazu hat er einen kurzbeinigen Hund namens Brillo (ich nehme an, es handelt sich um einen der Corgis der verstorbenen Queen), der ebenfalls keine Treppen mehr steigen kann.
Ich hoffe für Rebus, dass er künftig weniger Single-Malt, Zigaretten und vor allem kein Irn-Bru mehr konsumiert. Sonst sehe ich schwarz für den schottischen Ermittler.
Kunst
Inspiriert durch Sabine Scholze mache ich noch ein „Mecker-Selfie“. Nun muss ich doch extra wegen dieses Fotos den Selfiestick hervorholen, meckere ich. Und die Frisur könnte auch besser sein!
Wenn du bis hierher gelesen hast, dann gehörst du definitiv zu meinen Top-Fans. Hast du Lust auf mehr?
Hier kannst du meine 12-von-12-Geschichten nachlesen.
Liebe Uli,
da ist dir mal wieder ein Meisterstückchen gelungen! Vielleicht veröffentlicht du in ein, zwei Jahren alle 12 von 12 in einem Buch und wirst berühmt?
Liebe Grüße, Silke
Vielen Dank, liebe Silke!
LG – Uli
Richie, der Hühnerherzige, war ein Muttersöhnchen, kein Damenmann. . . wenn du weißt, was ich meine. Hat er den Erdberg zu Pferd erreicht oder ist er mit der U3 gefahren? Dies ist eine brennende historische Frage, die nach einer Antwort schreit!
Franz „Frankie“ Stephan war anscheinend überall faul, außer im Schlafzimmer. Diese Kinder kamen nicht aus dem Nichts!
Eddie VIII., der sehr kurze britische Clownkönig, hätte das gleiche Schicksal erleiden müssen wie von Ribbentrop, und entgegen der leeren Behauptung der Autorin Pasternak und ihren Versuchen, die Rolle der zweimal geschiedenen Wallis Simpson in Eddies Pro-Nazi-Haltung reinzuwaschen, hätte sie das gleiche Schicksal ereilen müssen wie von Ribbentrop. Sie war von Anfang an eine Intrigantin und Komplizin und hoffte wider alle Hoffnung, Königin von England zu werden, doch ihr Traum verwirklichte sich nie.
Eine kulinarische Frage: Hast du diese Schnecke gegessen? Sie sah köstlich aus! Ich habe gehört, dass Schnecken in Knoblauchbutter getaucht köstlich schmecken!
Der alte Rebus tut mir schrecklich leid. Vielleicht bringen ihn ein paar Tage im Gänselhäufel auf den Weg der Genesung. Andererseits möchte Ian Rankin ihn möglicherweise in ein Seniorenheim schicken, wo er über Zoom in beratender Funktion für die schottische Polizei fungieren kann, die sein Fachwissen benötigt.
Ich bin (fast) sprachlos, angesichts dieses fantastischen Kommentars.
Ich stimme mit dir überein, dass Richie wohl ein Muttersöhnchen war. Das Wort „Damenmann“, das mir außerordentlich gut gefällt, habe ich an den Duden-Verlag geschickt, damit es in die deutsche Sprache aufgenommen werden kann. Erdberg ist bis heute ein Ort, von dem man gerne sehr schnell wegkommen möchte, daher wurde auch die U3 gebaut und auch das Kundencenter der Wiener Linien.
Die Schnecken habe ich selbstverständlich nicht gegessen; ich war ja zum Brunch eingeladen!
Ich hoffe, Ian Rankin liest das nicht. Der alte Rebus über Zoom mit der schottischen Polizei verbunden; ein schrecklicher Gedanke. Der Bildschirmschoner wäre dann wohl eine große Dose Irn-Bru!!!!
Liebe Uli,
ja, ich habe bis zum Schluss gelesen. Weil kurzweilig und informativ. Sehr gut gemacht hast du das – aber das kenne ich ja gar nicht anders von dir.
Ganz liebe Grüße, Korina
Liebe Korina,
Vielen Dank! 12-von-12 macht mir immer ganz viel Spaß!
LG – Uli
Du bist echt eine Wucht! Danke für deine spannenden Geschichten und die originellen Bilder. Wo findest du das alles nur immer?
Lieber Gruß Luise
Danke, liebe Luise. 12-von-12 ist auch für mich jedes Mal immer wieder lehrreich und ich bin immer neugierig, was sonst noch an den diversen 12. los war. Der 12.5. hatte es ja in sich, mit zwei Krönungen und einer königlichen Hochzeit.
LG – Uli
Danke für den inhaltsreichen Beitrag. Ja, ich habe durchgehalten und bin informiert und inspiriert. Allerdings: ich hätte zumindest einigen Weinbergschnecken bei der Flucht ins Grüne geholfen, weisz ja nicht , wie viele es waren… Und 2. überkommt mich Sehnsucht und Ungeduld ob der Öffnung des einzig für mich erreichbaren Bades, die aber selten noch im Mai stattfindet – das ist hier halt nicht Wien. Und auch kein Gänsehäufel, nur ein stinknormales kleines Sportbecken, aber besser als nix. Für ne Wassernixe wie mich. Und für die Dauerkarte hab ich gespart… ja, wie ich heut schrieb: viele Wonnen des Wonnemonats wurden uns noch nicht zuteil diesjahr…aber so haben wir sie alle noch vor uns!
Liebe Grüsze aus dem fernen Harzgebirge
und nachträglich noch alles Gute fürs neue Lebensjahr
Mascha
Danke, liebe Mascha! Es waren ganz viele Schnecken unterwegs 🙂
Als Wassernixe wärst du in Wien im Paradies, mit all den verschiedenen Sommerbädern, Hallenbädern und gratis Stränden an der Alten und Neuen Donau, auf der Donauinsel, in der Lobau …
LG aus Wien, Uli