Die Schein statt Sein Falle

Wir alle haben Dinge, die wir einmal besorgt haben, um etwas darzustellen und vielleicht ein bisschen anzugeben.  Das kann nun das flotte Auto, das Designerkleid oder die Luxusuhr sein. Solange diese Dinge im Gebrauch sind und Freude bereiten, ist auch gar nichts dagegen einzuwenden. Aber manchmal hören diese Vorstellungen von uns auf zu existieren und damit verlieren auch diese Dinge ihre Bedeutung. Dennoch ist es schwer, sich von diesen Sachen zu trennen, da sie oft teuer waren und hier auch die Kostenfalle zuschlägt.

Wir können uns auch fragen: Wer sind wir ohne diese Sachen?

Ich sage: Auch ohne Dinge sind wir genauso wertvolle Persönlichkeiten wie mit diesen Dingen.

Mein Mann hatte viele Jahre lang eine Tweed Jacke im Schrank hängen. Ein Stück von guter und solider Qualität. Sie war einmal sehr teuer gewesen. Dennoch trug er diese Jacke nie, irgendwie passte sie nicht richtig und es gab auch einfach keine Gelegenheit sie zu auszuführen. Scherzeshalber meinte er, das gute Stück wäre perfekt geeignet für die Moorhuhnjagd im schottischen Hochland. Oder für einen Spaziergang in Cornwall. Nun leben wir allerdings in Wien, er ist kein Jäger und auch ein Schottland Besuch ist nicht geplant.

Diese Geschichte zeigt sehr gut, dass wir manchmal Dinge haben, die einem Fantasie- oder Wunsch-Selbst entsprechen oder aus einem Selbst der Vergangenheit stammen.

Ein weiteres Beispiel für die Schein-statt-sein Falle: Ich hatte schon die ganze Wohnung entrümpelt – mit einer Ausnahme: Meinen Büchern, die ich als begeisterte Leserin über viele Jahre hinweg angeschafft hatte. Klassiker der österreichischen und deutschen Literatur und auch jede Menge Krimis und Thriller. Meist als Taschenbuch und in kleiner Schrift, viele 30 bis 40 Jahre alt. Lange Zeit schwindelte ich mich darüber hinweg, indem ich dachte: Die Bücher haben doch gut Platz im Regal. In Wirklichkeit verstaubten sie und gelegentlich saugte ich darüber. Dann: Ich werde sie zwar nicht mehr lesen, aber sie taugen noch als Dekoration. Und als kleinen Hintergedanken: Besucher*innen werden beeindruckt von meiner Belesenheit sein.

Eines Tages fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Diese Leserin, d.h. diese Rolle von mir, existierte in der Form nicht mehr. Zwar lese ich noch immer leidenschaftlich gern, aber hauptsächlich mit meinem E-Book-Reader, wo ich die Schriftgröße einstellen kann und Hintergrundbeleuchtung habe. Oder ich höre Audiobücher und Podcasts. Und ich interessiere mich für neue Autorinnen und Autoren. Als ich dies begriffen hatte, war es plötzlich ganz leicht, meine alte Büchersammlung loszulassen.

Ich bin sicher, auch du hast Dinge, die ein bestimmtes Bild von dir vermitteln. Überlege, ob es diese Person in der Gegenwart noch gibt und wichtiger noch, ob diese Person und damit diese Dinge für dich jetzt noch hilfreich sind. Wenn wir ehrlich sind, dann sind sie manchmal nur noch eine Last. Du kannst sie leichten Herzens loslassen.