Es gibt sie wohl, die perfekten Familien mit wohlgeratenen Kindern, einem schönen Einfamilienhaus im Vorgarten; alles wie gemalt.
Heiligabend. Schnee fällt in gleichmäßigen, romantischen Flocken vom Himmel. Das Haus strahlt im Glanz makellos funkelnder Lichter. Es wirkt wie eine Einladung: Komm herein, hier wird gefeiert!
Alle sind stilvoll gekleidet – Vater, Mutter, Tochter, Sohn, Oma und Opa. Erwartungsvoll versammelt. Der Baum steht prachtvoll geschmückt, darunter die liebevoll verpackten Geschenke, natürlich genau das Richtige für jede/n. Der Duft von Zimt, Nelken, Orangen und Tannennadeln erfüllt die warme, behagliche Luft.
Am fein gedeckten Tisch – mit glänzendem Silberbesteck und akkurat gefalteten Stoffservietten – sitzt die glückliche Familie. Ohne auch nur ein einziges Wort des Streits.
In der aufgeräumten Küche wartet der zarte Braten – golden glasiert, mit allen Beilagen und einer perfekt abgestimmten veganen Alternative. Der Wein steht bereit, auf die exakte Trinktemperatur gekühlt. Keine improvisierten Beilagen, keine hastig gewählten Flaschen von der Tankstelle.
Kein Stress, keine Pannen, nur pure Harmonie.
Es gibt sie wohl, diese perfekten Weihnachten – aber meist nur in den Fantasien von Autoren, Drehbuchschreiberinnen und Werbeagentur-Mitarbeitenden.
Und sie richten – alle Jahre wieder – enormen Schaden an!
Die einen fühlen sich gestresst und eingeengt von Terminen und Erwartungen.
Die anderen fühlen sich einsam, denn an diesem sogenannten Fest der Liebe soll niemand alleine sein.
Schwere Straftaten schnellen in die Höhe, ebenso wie die Scheidungsanträge.
Ich habe großartige Neuigkeiten für alle, die sich mühsam und beladen, gestresst oder einsam fühlen.
BREAKING NEWS: Forscher bestätigen – Weihnachten wird abgeschafft!
Ein Team von Wiener Historikerinnen und Archäologinnen hat nach jahrelanger, intensiver Forschung das Unvorstellbare ans Licht gebracht:
Es gab überhaupt keine Geburt Jesu!
Es fehlen jegliche Beweise – man spricht von nicht vorhandenen Zeitzeugen, widersprüchlichen Quellen und, wie es in Wissenschaftskreisen hinter vorgehaltener Hand heißt, einer manipulierten Datenlage.
Die Konsequenz? Weihnachten, dieses uralte, traditionsreiche Fest, wird in Zukunft ausfallen.
Wir waren in der Stadt unterwegs und haben für Sie die wichtigsten Stimmen und Statements eingefangen.
Besonders betroffen: Die Stadt Wien, die durch ihr bisheriges Christkindlmarktkonzept jedes Jahr Zigtausende Besucher und Besucherinnen in die Stadt lockte und nun wahrscheinlich auf viele Millionen Steuergelder verzichten muss.
Eine Krisensitzung löst die nächste ab, aber bislang zeichnet sich weder eine Lösung ab noch war jemand in der Stadtregierung zu einem Statement bereit.
Das Weihnachtsbuden-Personal ist in heller Aufruhr. Eine wütende Horde (mit beträchtlichen Mengen Punsch intus) belagert sowohl das Rathaus als auch die Universität Wien. Sie verlangen Antworten auf die Frage, was sie denn jetzt verkaufen sollen.
Es ergibt keinen Sinn, ein Fest zu feiern, das historisch nicht haltbar und überdies für so viele Umweltschäden verantwortlich ist, sagt indes eine (unter Personenschutz stehende) Sprecherin der Grünen. Ohne Weihnachten kann der CO₂-Ausstoß beträchtlich gesenkt werden, umso mehr, wenn der 24. Dezember in einen Tag der allgemeinen Ruhe und Konsumvermeidung umgewandelt wird.
Wie reagieren die einfachen Menschen darauf? Gemischt. Während die einen erleichtert sind, fürchten die anderen um ihren Job.
Ganz ehrlich, ich hab sowieso nie verstanden, was ein Baby in einer Krippe im Stall mit meinem neuen iPhone zu tun hat, sagt Jacqueline, 34, beim Verlassen eines Kaufhauses schulterzuckend. Das Geld, das sie bisher für die Geschenke anderer ausgegeben hat, möchte sie in ihren nächsten Urlaub investieren.
Auch Jürgen, 47, zeigt sich erleichtert: So oft habe ich meiner Mutter erklärt, dass ich keine Socken will. Endlich ist damit Schluss. Und Raclette werde ich auch nicht mehr essen; das stank sowieso immer tagelang in der Wohnung! Auf Punsch und Glühwein will er aber auch weiterhin nicht verzichten.
Weniger positiv fällt naturgemäß die Stellungnahme der Vorsitzenden der Psychotherapeutischen Gesellschaft, Dr. Doris Herzfeld, aus. In einer emotionalen Pressekonferenz ist sie den Tränen nahe:
Die Abschaffung ist ein existenzieller Einschnitt in die psychotherapeutische Landschaft. Weihnachten, wie wir es kennen, ist seit jeher eine unserer Hauptsäulen, unser Dezember-Fundament. Die familiären Konflikte, der Konsumdruck, die Einsamkeit – all das spielte bisher eine zentrale Rolle in der Behandlung unserer Klient*innen.
Sie warnt: Ohne diese Dynamiken droht eine tiefgreifende therapeutische Leere! Wie diese Branche langfristig stabilisiert werden kann, lässt sie offen. Und: Umschulungen sind schwierig – es gibt ohnehin schon zu viele Taxifahrerinnen in der Stadt.
Einige Hardcore-Traditionalisten (die auch das Gendern vehement ablehnen) haben sich mit Christbaumverkäufern, Punsch-Produzenten und Weihnachtsmänner-Fabrikanten zusammengetan. Sie planen eine Gegenbewegung, in der Weihnachten einfach weiterbesteht – mit oder ohne historischen Beweisen.
Ihr Slogan: Make Christmas Great Again!
Ihre Hoffnung: We will fix it!
Und (Originalzitat): Von ein paar bescheuerten Tussis, die in der Erde und in zerfledderten Akten herum buddeln, statt wie echte Frauen ihre Familien zu versorgen, lassen wir uns Weihnachten sicher nicht versauen!
Am härtesten trifft es natürlich die christlichen Kirchen; meint man.
Ohne Weihnachten, kein Ostern.
Ohne Ostern, keine Auferstehung.
Ohne Auferstehung, kein Glaube.
An einem offiziellen Statement wird noch gefeilt, aber aus gut informierten – jedoch anonym bleiben wollenden – Kreisen im Vatikan haben wir erfahren, dass der Heilige Stuhl den neuesten Erkenntnissen erstaunlich gelassen gegenübersteht.
Die Uhren gehen im Vatikan langsamer als anderswo, meinte unser Gesprächspartner mit Verweis auf Galileo Galilei. Er wurde auch erst nach gut 300 Jahren rehabilitiert. Und das Priesteramt für Frauen gibt es ebenfalls noch nicht.
Außerdem verwies er auf den umfangreichen Immobilienbesitz und die Investitionen der katholischen Kirche. Gläubige brauchen wir nicht unbedingt, so seine lapidare Einschätzung.
Indes zeigt sich der Zentralrat der Juden äußerst alarmiert. Wir sind nur eine kleine Gruppe, meint eine ebenfalls anonym bleiben wollende Mitarbeiterin. Diesen Massenansturm von Eintritt fordernden Ex-Christen, die zu ihren religiösen Wurzeln zurückkehren wollen, haben wir nicht erwartet.
Während unseres Gesprächs läutet das Telefon pausenlos. Ein Trupp Soldaten hat alle Hände voll zu tun, um einen wütenden Mob von Ultraorthodoxen, die gegen die Eintritte der Ex-Christen protestieren, abzuhalten, das Gebäude zu stürmen.
Erschwerend kommt hinzu, dass alle Chanukka-Leuchter restlos ausverkauft sind. Bitte teilen Sie ihren Leserinnen mit, dass es zwecklos ist, in den Shop des jüdischen Museums zu kommen, fleht die Mitarbeiterin, die einem Nervenzusammenbruch nahe ist.
Der österreichische Botschafter wurde bereits ins israelische Außenministerium zitiert. Kopien der Geburtsurkunden und Reisepässe von Maria, Josef, Jesus und dem Engel Gabriel sowie die Meldedaten der Herberge in Betlehem (fälschlich als Stall tituliert) wurden angeblich vorgelegt und sollen eindeutig belegen, dass die Geburt stattfand.
Die Forschenden sind hingegen skeptisch und vermuten eine plumpe Fälschung der Händler in Betlehem.
Wir bleiben selbstverständlich an der Geschichte dran. Und wie immer: Hier erfahren Sie es zuerst! Sollten Sie noch kein Abo haben, das Ihnen exklusive Ein- und Ausblicke bietet, dann zögern Sie bitte keine weitere Sekunde. Melden Sie sich an! Versäumen Sie nicht die täglichen Updates.
Ihre Meinung ist uns wichtig! Schreiben Sie uns, welche Ansicht Sie vertreten und nutzen Sie dazu das Kommentarfeld. Soll Weihnachten abgeschafft werden oder doch bleiben? Was spricht Ihrer Meinung nach dafür und was dagegen?
Wer schreibt hier?
Ich bin Uli Pauer und Ausmist-Expertin aus Wien. Ich unterstütze Menschen, überflüssige Dinge loszuwerden. Sachen, die im Weg und ein Dorn im Auge sind, sich aber wie Kletten festhalten.
Ich bezeichne mich als „Zerstückelungs-Expertin“, weil ich große Ausmist-Projekte in alltagstaugliche Aufgaben zerteile. Und auch deshalb, weil ich ein großer Krimi-Fan bin.
Bei mir ist Tun angesagt.
Und Klartext – no bullshit! 😊
Und Humor.
Meine Leidenschaft:
Übergewichtige Wohnbereiche einfach, effizient und strategisch zu verschlanken.
Und das nachhaltig!
Too bad about that Jesus guy! But if you look at it positively, he had a good two millennia plus run before the truth came out.. Not many cults or religions can top that, timewise! Without getting into the latest developments, my inclination is to view Christianity and its celebration of same during the last week in December through the filter of one of moviedom’s greatest films–National Lampoon’s Christmas Vacation. In less than two hours, it defines and encapsulates the evolution from not really discovering the baby in the manger (but saying one did!) to the hysterical quest for new goodies, most of them disappointing, to be given to those near and dear to us in order to win love and favor for the coming year. What is wondrous is that right after New Year’s Day, the annual process begins all over again. Who could ask for more, eh? Merry Christmas, everybody!
Das ist ein sehr witziger Blogartikel. Vieles ist gut beobachtet, ich musste mehrfach lachen.
Ich mag Weihnachten. Wegen der Wintersonnenwende, denn die Tage werden wieder länger. Wegen der Kerzen und der Weihnachtslieder. Und weil kurz vor Weihnachten meine Freund*innen und ich in unsere Heimatstadt zurückkehren und uns treffen, das ist immer ein Fest.
Weihnachten ist auch ein schöner Anlass, die zu beschenken, die es nötig brauchen. Obdachlose, Spenden an Vereine, so etwas. In meiner Familie beschenken wir uns an Weihnachten schon seit langer Zeit nur mit Selbstgebasteltem. Das braucht Zeit, also gibt es nur wenig Geschenke. Dass zu Weihnachten so viel Zeugs gekauft wird, was kein Mensch braucht, ist total traurig.
Uli, ich feier dich!
Was für ein genialer Blogbeitrag. 🙂 Voll mein Humor ❤️
Meine Meinung: genau das, was du beschreibst – diese Erwartungshaltung die alle an die Tage und sich selbst haben – verursacht enorm viel Stress. Genau drei Tage am Jahr soll alles perfekt sein. Was für ein Quatsch.
Ich mag, dass wir an Heilig Abend mit der Familie zum Essen zusammen kommen (wir haben die drei Tage auf einen reduziert). Und dass Freunde und Bekannte dabei sind, die sonst allein daheim sitzen würden.
Ich liebe es Gastgeberin zu sein, für viele zu kochen. Aber der Rest? Den können wir uns sparen.
Hier gibt es keinen Baum (Fellnasen-Alarm), die Geschenke sind auch eher klein persönlich. Und ab dem 25. läuft das Leben ganz normal weiter.
Tolle Satire, Kompliment! Ja, bleib bitte an der Geschichte dran! ;-)))
Der wahre Kern ist, dass manche Weihnachtsauswüchse wirklich abgeschafft oder zumindest überdacht gehören, vom Medienhype und Konsumzwang bis zu ökologischen Problemen etc.
Mir sind zB. die öffentlichen Riesenchristbäume, die für die kurze Zeit geopfert werden, ein Dorn im Auge. Sogar in Rom gab es heuer Widerstand gegen den Christbaum am Petersplatz, wegen dem Fällen eines alten gesunden Baumes in den Bergen und nicht zuletzt wegen der Kosten. Das Geld könnte sinnvoller verwendet werden, hieß es… Es wäre echt schön, wenn Kommunen auf einen toten Baum verzichten würden.
Beim Alpenverein kann man Tipps für ein ökologisches Weihnachten nachlesen.
Trotzdem geh ich ganz gern auf einen netten Weihnachtsmarkt, wenn dort nicht allzu viel los ist. Und Weihnachtsmusik ist nicht per se schlecht, es nervt nur die ewige Berieselung, oder? (magst du meine Lieblinglieder hören? https://fliederbaum.blogspot.com/2023/12/schone-feiertage.html).
lg
Tipp: Über die Hl. 3 Könige schreibt „Artedea“: weder heilig, noch 3, noch Könige…
Traditionen – ob ein Weihnachtsbaum oder ein bunter Blumenstrauß im Wohnzimmer steht, ob Punsch am Christkindlmarkt oder Punsch aus dem Supermarkt zu Hause getrunken wird, ob Kekse günstig selbst gebacken oder teuer gekauft werden. Ob man gestresst Weihnachtsgeschenke in letzter Minute kauft oder diese schon im Laufe des Jahres besorgt hat und somit kein Teil des traditionellen Weihnachtsgedränges in den Geschäften ist.
Eines, das uns immer zu Weihnachten verbindet und an das wir uns erinnern, sind die wundervollen – oder auch gehassten – Weihnachtslieder.
Es ist unmöglich, Weihnachten vollständig abzuschaffen – wenn überhaupt. Was sich jedoch ändern kann, sind die Traditionen, die sich mit der Zeit wandeln oder erneuert werden. Jedes Jahr werden beispielsweise neue Weihnachtssongs geschrieben und auch Weihnachtsfilme gedreht.
Weihnachten wird es immer geben. Solange in Amerika ein Christbaum mit 25 Metern Höhe und 13 Metern Breite steht und Wham! im Radio Last Christmas singt, ist Weihnachten nicht abgeschafft.
Liebe Uli,
wie immer großartig, kreativ, humorvoll und einfallsreich – nach deinem Plädoyer muss man Weihnachten einfach abschaffen … Zumindest als Konsumrausch!
Aber: Weihnachten ist auch ein Gefühl, und das soll bitte bleiben.
Liebe Grüße
Nicole
Als Psychiaterin halte ich die Weihnachtsabschaffung für einen Aprilscherz. Es gibt wahrlich wichtigere Dinge aktuell auf der Welt zu regeln.
Sinnvoll wäre eine Reduktion des Konsums, der – die Bedeutung des Festes ausnutzend – jedes Jahr mehr gepuscht wird.
Ach ja, was ist hier nun fake News und was nicht? 😉
Hab mich wieder köstlich amüsiert!
Von mir aus kann es gerne abgeschafft werden, für mich persönlich tat ich das eigentlich schon vor über 30 Jahren, indem ich aufhörte zu feiern, was in meinem Elternhaus ein Desaster ohnegleichen war, ein Tag, an dem ich oft weglief als Kind…
Mein/unser Ersatzritual – ein stiller Spaziergang in die Berge zur Sonnenwende (mit Gabentisch für Waldbewohner und Dank an die Natur, die uns Menschen immer noch erträgt – )..musz nun schon das 2. Jahr ausfallen, weil wir 1. kaum noch gehfähig sind (auch mein Schatz, leider) und 2. unser ganz besonderer Ort dort oben zerstört wurde. Das betrübt uns sehr. – Mal sehen, was wir nun daraus machen!
Grüsze zum 2. Advent
Mascha