Horror vacui kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Angst vor der Leere.
Marla Cilley, sagt in ihrem Buch „Die magische Küchenspüle“:
Gerümpel kann man nicht aufräumen!
Ich finde, das ist einer der besten Sätze, die es zum Thema Ordnung schaffen gibt. Eine nachhaltig aufgeräumte Wohnung bekommst du nicht allein durch Sortieren, Schlichten und Stapeln, sondern durch das Ausmustern der unnötigen Dinge. Das ist der unumgänglich notwendige erste Schritt.
Anmerkung: „Gerümpel“ (oder im Englischen: Clutter) hat nichts mit der Qualität der Dinge zu tun, sondern damit, dass sie überflüssig oder im Weg sind und keine Freude bereiten.
Ausmustern und Entrümpeln sollte jede/r können; so der Glaubenssatz. Aber ist das wirklich so? Oft bedeutet Entrümpeln emotionale und mentale Schwerarbeit – und wird umso schwieriger, je zögerlicher du vorangehst und je länger du Entscheidungen aufschiebst.
Viele Menschen wollen das Ausmustern daher überspringen und sofort mit der neuen Ordnung beginnen. Es wird sortiert, gefaltet, gestapelt und nach Farben arrangiert. Es werden neue Boxen und Ordnungssysteme angeschafft und jeder Zentimeter Stauraum genutzt. Vielleicht werden sogar externe Lager angemietet, um sich nicht der Vergangenheit und den endgültigen Entscheidungen stellen zu müssen.
Das funktioniert aber nur in den seltensten Fällen und gar nicht, wenn die Wohnung schon aus allen Nähten platzt.
Bevor du dich daher an die Verschönerung machst, musst du erst einmal Platz – und eine gewisse Leere – schaffen!
Meine leere Wohnung
Ich kann mich noch gut erinnern, als ich in meine jetzige Wohnung übersiedelt bin. Sie war, bis auf die Küche, das Bad und einen Einbauschrank, leer. Ein hässlicher grauer Teppichboden von undefinierbarer Qualität war in allen Zimmern ausgelegt.
Meine Tochter, damals fünf Jahre alt und ihre gleichaltrige Freundin sind in die Wohnung gestürmt und von Zimmer zu Zimmer gelaufen und haben gar nicht mehr aufgehört, in rasendem Tempo hin- und her zu rennen und auf dem Teppichboden herumzukugeln.
Da ist mir kurz der Gedanke gekommen: Wie schön und entspannt wäre es, ohne Möbel zu leben. Den hässlich grauen Teppichboden nicht durch einen heiklen Holzboden zu ersetzen, bei dem jeder Kratzer sichtbar wird.
Nur mit den allernotwendigsten Möbelstücken in einfacher Qualität zu leben. Der Gedanke kam und ging – denn natürlich hatte ich mich schon mit der Einrichtung beschäftigt und Möbel bestellt. Der Teppichboden wurde durch Parkett ersetzt und es kamen Lampen, Vorhänge und Hausrat. Fülle statt Leere.
Warum Leere uns herausfordert
Die meisten Menschen haben Schwierigkeiten mit Leere. Ein leerer Raum? Schnell wird er dekoriert. Eine freie Fläche? Sofort wird etwas daraufgestellt. Es scheint, als hätte unser Gehirn ein tiefes Bedürfnis, offene Stellen zu füllen. Leere wirkt auf viele wie ein Mangel, wie etwas Unfertiges oder sogar Bedrohliches. Dabei muss Leere nichts Negatives sein – im Gegenteil.
Sie ist eine Einladung.
Ein Innehalten.
Eine Möglichkeit.
Leere ist nicht nichts. Sie ist der Raum, in dem alles möglich wird.
frei nach Laotse
Wir haben oft gelernt, dass Besitz Sicherheit bedeutet, dass volle Schränke und volle Kalender für ein gelungenes Leben stehen. Dabei kann genau das Gegenteil der Fall sein: Wer alles komplett voll stellt, hat keinen Platz mehr zum Atmen – weder im Außen noch im Innen. Und keine klare Sicht. Es ist ein Leben mit hauptsächlich Vergangenheitsbezug; mit wenig Raum für die Zukunft.
Besitz (auf Lateinisch: possessio) bezeichnet in der juristischen Fachsprache die Herrschaft über eine Sache. Bei zu vielen Besitztümern kann die Situation jedoch kippen. Die Sachen übernehmen die Herrschaft über deinen Haushalt und du verlierst Kontrolle und Flexibilität.
Woher kommen diese ganzen Dinge
Sind viele Wohnungen deshalb so voll, weil wir – vielleicht unbewusst – an Horror Vacui – der Angst vor der Leere – leiden? Jeder Schrank, jede Schublade und jedes Regal wird gefüllt. Es scheint so, als ob leere Flächen magisch Dinge anziehen.
Das gilt nicht nur für physische Sachen, sondern auch für digitale Daten und Termine. Auch unsere Mailboxen, Webspaces und Terminkalender füllen sich beständig, sodass kaum mehr Freiraum vorhanden ist.
Horror vacui betrifft schlussendlich auch unsere Köpfe, die konstant mit (oft) zweifelhaften Inhalten gefüllt oder bewusst oder auch unbewusst vom „eigentl-ICH-en“ abgelenkt werden. Leere und Stille auszuhalten, ist eine Fähigkeit, die in einer übervollen Welt immer wichtiger wird.
Mehr und mehr
Kauf mich! Nimm mich mit! Mit mir bekommst du Freiheit, Anerkennung und du gehörst dazu, suggeriert uns die Werbung Tag für Tag. Und so kaufen wir Glück, Freundschaft, Liebe, Harmonie, Fitness, ja sogar die ewige Jugend und die Fähigkeit zu fliegen bekommen wir noch obendrauf.
Über die Jahre hinweg sammelt sich so mehr und mehr an. Stört ja nicht, hat im Schrank Platz, im Keller, am Dachboden. Bis die Wohnung aus allen Nähten platzt und der Ruf nach mehr Stauraum laut wird. Selfstorage Unternehmen boomen. Die Dinge warten auf den Tag Irgendwann.
Wer bist du ohne Dinge
Existierst du auch ohne Dinge? Wer bist du ohne sie? Hast du eine Vergangenheit auch ohne die Massen an Erinnerungsgegenständen? Das sind Fragen, die sich beim Entrümpeln stellen.
Wenn du alle Urlaubsfotos löscht, existieren diese Urlaube noch oder sind sie mit alt+delete dann auch für immer weg?
Wenn du alle Bücher entsorgst, bist du dann noch die belesene und gebildete Person?
Diese Fragen stellen sich fast immer beim Entrümpeln. Sie machen den Prozess so emotional. Aber sie öffnen auch die Tür zu etwas Großem und Besserem: zur Erkenntnis, dass dein Wert nicht an Dingen hängt – sondern an dir selbst.
Die Klage darüber, wie barbarisch die Welt heute sei, will manchmal nur verstecken, dass man den Wunsch nach einer rein bewahrenden Ordnung, nach Verteidigung hat. Nein – Gott begegnet man im Heute.
Papst Franziskus
Was der verstorbene Papst über die katholische Kirche und den Glauben gesagt hat, gilt gleichermaßen für das Ausmustern und das Weggeben von unnötigen Sachen.
Ein Übermaß an Bewahren des Überkommenen und Vergangenen und eines Angst-Mindsets hemmt die Veränderung, Verbesserung und die Leichtigkeit. Auch der neuen Ordnung begegnest du im Heute und Jetzt; genau das ist der richtige Zeitpunkt zur Veränderung.
Leere zulassen – und lieben lernen
Entrümpeln ist nicht Selbstzweck, sondern ein Werkzeug für ein selbstbestimmtes Leben. Du bestimmst, was du brauchst – nicht der Werbeprospekt und nicht das schlechte Gewissen.
Hab keine Angst vor der physischen Leere! Räume bewusst leer. Trenne dich von Dingen – aber auch von Gewohnheiten, Verpflichtungen und Erwartungen, die dir nicht mehr guttun oder nicht mehr passend für dich sind.
Die Leere ist nicht das Ende – sie ist der Anfang. Der Anfang von Freiheit, Klarheit und Raum für das, was wirklich zu dir passt.
In der Ruhe liegt die Kraft.
Konfuzius
Experimentiere mit der Leere. Wie fühlt es sich an, wenn du sämtliche Dekorations-Gegenstände in einem Bereich des Hauses wegräumst oder alle Bilder von den Wänden eines Zimmers nimmst? Lasse immer etwas Leere in deinen Räumen zu – ein Stück leeres Regal oder eine leere Schublade. Experimentiere mit diesem neuen Gefühl.
Gestalte deine Räume so, dass Luft, Licht und Stille einen Platz haben.
So fängst du an
Hole dir das gratis Workbook und finde heraus, welcher Typ du bist und wo du am besten und einfachsten ansetzt, um dir deinen Traumhaushalt zu schaffen. Es gibt keine „one-size-fits-all“-Herangehensweise.
Daher habe ich in dem kompakten Workbook die unterschiedlichen Einstiege beschrieben und wann du welche Methode am besten anwendest. Bei jeder Variante kannst du dir Notizen dazu machen.
So gelingt der erste Schritt viel leichter und wenn der erst einmal getan ist, hält dich nichts mehr auf am Weg zu mehr Ordnung, Klarheit und Freiheit.
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Wer schreibt hier?
Ich bin Uli Pauer und ich unterstütze dich, Dinge loszuwerden, die für dich nur noch Ballast sind. Sachen, die dir schon lange im Weg und ein Dorn im Auge sind.
