17 Shades of Grey: Das graue Wien

17 Shades of Grey: Das graue Wien

Ich wollte mich heute einmal so richtig gemütlich dem Novemberblues hingeben. Das hat auch tadellos funktioniert, bis meine werte Blogger-Kollegin Sabine Scholze meine kontrollierte Trübsal nachhaltig gestört hat. Beim Lesen des Titels: 17 Tipps für den gelingenden Novemberblues musste ich schon laut lachen. Mickrige 17??? Als gelernte Wienerin kannst du selbst Mitte Juli aus dem Stand heraus mindestens 170 Tipps für negative Stimmung bloggen. Mit maximal grauenvoller Stimmung habe ich mich schweren Herzens vom Sofa losgeeist, um das echte, wahre und wissenschaftlich belegte Grau-en zu dokumentieren.

Tipp 5: Geh auf gar keinen Fall nach draußen. Es ist schrecklich da.

meint die liebe Sabine. Und als Warnung postet sie ein paar idyllische Fotos vom Landleben mit dekorativen Nebelschwaden. Da helfen auch ihre lustigen Grimassen nicht wirklich, um in den Blues zu kommen.

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#1: Überall sind Baustellen im Weg. Noch dazu mit frechen Lügen gepflastert! Motiviert. Innovativ. Konsequent. Dass ich nicht lache! Die Arbeiter sind konsequent abwesend. Daher ist es auch immer noch eine häßliche Baustelle.
#2: Graue verfallende Fassaden, soweit das Auge blickt. Künftige Baustellen!
#3: Ein scheußliches Haus im 60er Jahre Stil. Natürlich in Grau!
#4: Leere Geschäftslokale mit Graffiti übersäht. Der Verfall ist nicht aufzuhalten.
#5: Irgendwer frisst sich in graue Hausmauern. Kein Einzelfall!
#6: Netter Versuch – aber bei diesen Preisen kommt keine Freude auf!
#7: Ein ekelig grauer Gehsteig, wo es von einer Baustelle im 1. Stock heruntertropft.
#8: In aggressivem Rot wird auf geänderte Öffnungszeiten aufmerksam gemacht. An die Wochenend- und Morgen-Trinkerinnen denkt wieder einmal keiner. Meine Laune bessert sich dadurch natürlich nicht!
#9: Schmuck von gestern und morgen? Wo bleibt der Schmuck von heute, frage ich mich verärgert?
#10: Ein schmuckloses Juwelier-Fenster. Jetzt muss ich auch noch meine Einbruchspläne verschieben. Meine Laune sinkt weiter!
#11: Die Stadt Wien hat alle ihre Autos eingegraut, um sie der allgemeinen Laune anzugleichen.
#12: Auch die Tauben sind hier grau. Das ist eine einsame graue Taube, die keinen Gefährten findet.
#13: Der Fassadenfresser zieht eine Spur der Verwüstung.
#14: Die Retrospektive habe ich auch versäumt. Danke für nichts! Wenn schon etwas gepostet wird, dann bitte rechtzeitig.
#15: Wenn man zur Erkenntnis gelangt, dass es nicht genug Make-Up auf dieser Welt gibt, um jemals wieder so auszusehen, sinkt die Laune auf den Gefrierpunkt. Einen Friseurtermin habe ich auch noch nicht.
#16: Mehr Grün gibt es in dieser Stadt nicht. Um dieses winzige Grasbüschel zu finden, musste ich ewig suchen. Zusätzlich zu meiner schlechten Laune schmerzt nun auch mein Rücken.
#17: Anstelle dass der Bus auf mich wartet, ist er einfach abgefahren. Wissen die Busfahrer nicht, wer ICH bin? Meine telefonische Beschwerde bei den Wiener Linien wird abgewiesen, nachdem sie MICH mehrere Minuten in der Warteschleife haben warten lassen. Der Tag ist nun komplett ruiniert und ich hinke mühsam nach Hause.

Zuhause überlege ich, warum diese Stadt so hoffnungslos düster ist. Nicht umsonst hat die Psychiatrie in Wien ihren Anfang genommen. Ich sage nur: Freud, Wagner-Jauregg und Kraft-Ebbing! Wir haben einfach den Blues, besser gesagt das Grau-en in unserer DNA.

Das hat auch der junge Peter Cornelius schon erkannt, als er dieses Lied geschrieben hat:

Ganz Wien hat den Blues 

Der Artikel ist als unbezahlte Werbung für den gemeinnützigen Verein „Haltet die Touristen fern von Wien“ entstanden.

19 Gedanken zu „17 Shades of Grey: Das graue Wien

  1. „Im Prater hinter Fliederhecken spielt ein alter Kopf verstecken“… fällt mir grad so ein (von wem wohl, na?)
    Nein, das hat jetzt nicht wirklich mit Deinem grauenvollen Beitrag zu tun!
    In einem bitterbösen Roman über unsere Stadt gibt es ein Lyrik-Nottelefon – ich glaub, Du könntest das am Ende eines solchen Tages brauchen. Da es das aber nicht real gibt, empfehle ich Dir Mayröckers „Litanei wenn man traurig ist“.
    LG Mascha

  2. Herrlich! Die Ergüsse deiner schlechten Laune zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. Großartige Uli, mal wieder gut eingefangen und trefflich kommentiert. Im tristen Berlin kämst du auch auf deine Kosten. Den Besuch kannst du dir getrost sparen … Mich hingegen würde das Grauen allerdings nicht von einem erneuten Besuch in Kaisermühlen abhalten. 😉
    Herzliche Grüße
    Kerstin

    1. Vielen Dank, liebe Kerstin! Ich bin überzeugt, dass es auch in Berlin „grauenvolle“ Plätze gibt, von denen ich viel Material für einen „Shades-of-Grey“-Artikel gewinnen könnte. Mir schwebt eine Grau-Serie vor: Die grauen Städte Europas
      LG – Uli

  3. Cheer up, meine liebe Wiener und Wienerin! The good news is you only live once! Imagine having to endure two or more lifetimes of limitless raunzen and self-inflicted misery! How unertraglich would that be, eh!

  4. Großartig, liebe Uli 🤍 und passt zu meiner Haarfarbe! Ich liebe Grau, aber bitte chic und modern.

    Morbide Fotos aus Venedig sind auch klasse, aber nicbt so schön grau.

    Ich wünsche dir einen heißen Kaffee an einem grauen Novembersonntag.

    Liebe Grüße aus Frankfurt
    Claudia

  5. Da habe ich vor lauter Grauen doch ganz vergessen, Dir für diesen fürchterlichen Artikel zu danken.

    Weil ich so lachen musste, habe ich jetzt Muskelkater – obwohl ich mich keinen Zentimeter bewegt habe!

    Nein, liebe Uli, das geht so nicht!

    Mit ungewollt vergnügten Grüßen aus dem glücklicherweise ebenfalls grauen Dankelshausen

    Sabine

  6. Alles klar: ich müsste dringend wieder einmal zu dir nach Wien kommen.
    Würde dich animieren, mit mir die Schönheiten der Stadt zu erkunden. Ich bin ein absoluter Wien – Optimist, das Häßliche blende ich aus und das Schöne beeindruckt mich jedes Mal aufs Neue.
    Trotzdem danke ich dir auch für diese Fotos. Sie gehören wohl zu jeder Stadt🤷🏻‍♀️

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