12 von 12: Mein 12. Juni 2022

Sonntag, der 12. Juni 2022 ist der 163. Tag des gregorianischen Kalenders, somit verbleiben 202 Tage bis zum Jahresende. Das Wetter in Wien ist sommerlich heiß.

#01: Tarot: Der Teufel und der Ritter der Kelche

Normalerweise ziehe ich die XII – den Gehängten. Heute haben mich aber der Teufel und der Ritter der Kelche angelacht. Sie erinnern mich sofort an die vielen unerwünschten Instagram-Follower, die schleimige Texte wie folgenden verbreiten: „Ich grüße dich, Schönheit vom Himmel; tatsächlich bist du der fehlende Engel vom Himmel und deine Schönheit übertrifft meine Vorstellungskraft!“

#02: Die blaue Phase

Das Schlafzimmer, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2022. Heute ist der 12. Juni und ich bin wieder auf meiner 12von12-Mission unterwegs, um fremde Galaxien zu erforschen, neues Leben und Zivilisationen. Viele Kilometer von Wien entfernt dringen wir mit Zug und Bus in die Galaxie Wachau vor. So der Plan.

#03: Brutzelnder Speck fürs Sonntagsfrühstück

Um uns ausreichend für unsere Mission zu stärken, gibt es zusätzlich zu den Scrambled Eggs noch Speck. Dazu für meinen Mann einen English Muffin, für mich ein gutes Bio-Dinkelbrot – und natürlich ausreichend Kaffee für uns beide.

#04: Bushaltestelle 13A – Man in Red

Wir sind – trotz Baustelle – noch hoffnungsfroh und machen uns mit dem 13A auf zum Hauptbahnhof. Zu spät bemerke ich, dass mein Mann das „Merry Christmas“ Hawaii Shirt angezogen hat. Ob das mal gutgeht? Unsere Reise ist komplex, sehr komplex. Wien zu verlassen, sollte man sich wirklich gut überlegen. In den Galaxien außerhalb der Stadtgrenzen hat man mit gefährlichem Stoppismus und Langsameritis zu kämpfen.

Unser engagierter Plan sieht folgendermaßen aus:

Railjet von Wien nach St. Pölten (nur 5 Minuten Zeit zum Umsteigen!)
Regionalzug von St. Pölten nach Melk
Bus von Melk nach Emmersdorf
Gemütliche Wanderung (ca. 3 Stunden) von Emmersdorf zurück nach Melk
Schiff von Melk nach Krems
Nächstbester Zug zurück von Krems nach Wien

Leider wird unser Vorhaben bereits in St. Pölten durchkreuzt, da anstelle des Regionalzugs in Richtung Amstetten der Regionalzug in Richtung Horn am Gleis steht und wir diesen – trotz einiger Bedenken – wagemutig besteigen. 35 Minuten später sind wir in Krems, mit dem neuen Plan nach Dürnstein zu wandern.

#05: Krems mit Blumenschmuck

Nichts gegen Krems, aber Krems ist nicht Melk und auch nicht Emmersdorf und schon gar nicht Wien. Wie alle lieblichen kleinen Orte fühlt sich auch Krems an einem Sonntag wie ausgestorben an. Daran ändern auch die Touristen nichts, die hier in der wunderschönen Altstadt unterwegs sind.

#06: Ein passendes Vatertagsgeschenk?

Bedauerlicherweise ist der Laden geschlossen, sonst hätte ich sicher meinen Vorrat an Pfefferspray aufgefüllt.

#07: Blick auf Krems

Vom Kreuzberg, den wir über Umwege erreichen, hat man einen fantastischen Blick auf Krems und auf die Donau. Wir gehen rauf und wieder runter und bemühen uns, dem Wanderweg nach Dürnstein zu folgen, aber sowohl die Beschilderung als auch die Beschreibung des Welterbesteigs lassen sehr zu wünschen übrig.

#08: Das Leben in Stein

Nicht jeder kommt in der Justizanstalt Krems/Stein unter, manche müssen sich auch eine Wohnung nehmen. Stein ist Österreichs größte Strafvollzugsanstalt und in ihr befinden sich ausschließlich männliche Strafgefangene mit einer Haftzeit von über 18 Monaten bis lebenslang. Wir fühlen uns ebenfalls gefangen in dieser Stadt, die wir bislang vergeblich versuchen zu verlassen.

#09: Durchs Gestrüpp

Wir machen einen letzten Versuch den Wanderweg nach Dürnstein zu finden, der auch wirklich ein Weg und nicht eine asphaltierte Straße ist. Fast schaut es so aus, als wären wir erfolgreich, aber am Ende treffen wir wieder auf die Straße und nach fast drei Stunden Herumirren reicht es uns jetzt. Wir geben auf. Und gerade dann ist uns das Glück hold und wir sehen das Schild zum Weingut Mayer-Resch.

#10: Enttäuscht

Noch ist mir die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Aber das ändert sich bald. Beim Mayer-Resch gibt es einen fantastischen Grünen Veltliner und wir bestellen auch noch zwei Brote mit Schweinsbraten und Geselchtem. Nach fast drei Stunden bergauf und bergab und im Kreis herum endlich ein Lichtblick. So gestärkt machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof. 

#11: Zurück in die Heimatgalaxie

Wir befinden uns im Regionalzug nach St. Pölten. Ich bin erleichtert, dass wir uns wieder in Richtung Wien bewegen, auch wenn wir in einer uralten, fast schon historisch anmutenden Garnitur sitzen. Ich wusste nicht, dass es diese altertümlichen Wagons überhaupt noch gibt und dachte, diese wären schon längst verschrottet.

#12: Wien Hauptbahnhof

Wir sind gesund und glücklich wieder zurück in Wien, unserer Heimatstadt. Den Heurigen-Ausflug nach Krems hätten wir wesentlich einfacher gestalten können. Nun fahren wir in unsere Wohnung, um den weiteren Abend entspannt ausklingen zu lassen.

12 Gedanken zu „12 von 12: Mein 12. Juni 2022

  1. Liebe Uli,

    was für ein schöner Text und was für ein Tag! Da fällt mir nur eins ein: Willst du die Götter zum Lachen bringen, mache Pläne.

    Es war mir ein echtes Vergnügen❣️

    Liebe Grüße
    Vanessa

  2. Sehr mutig von euch, an einem Sonntag mit Öffis nach NÖ raus zu fahren ;-))
    Wenn ihr das nächste Mal im Zug nach Horn sitzt, fahrt doch ins schöne Kamptal rauf oder zur Rosenburg, dort ists auch schön zum Genusswandern!
    lg

  3. Also, ich möchte deinen Tag mal ordentlich loben! Ihr habt euch nicht vom Zug in die falsche Richtung abschrecken lassen, habt Krems ausführlich erkundet und könnt nun ein Buch darüber schreiben, das Wetter war euch hold, der Mann passend zum Ereignis gekleidet , die Heimfahrt geglückt und der Tag erfolgreich um die Ecke gebracht. Das war ein toller Tag! Vielen Dank für deinen herrlichen Humor!

    1. Herzlichen Dank, liebe Claudia. Am Ende des Tages waren wir zufrieden. Wir sind leider beide nicht gut darin, am Wanderweg zu bleiben. Aber der Heurige hat uns entschädigt.
      LG – Uli

  4. Was für ein Abenteuer! Schöne Fotos und eine spannende Geschichte. Gut, dass ihr den Grünen Veltliner gefunden habt. So hatte der Tag einen guten Abschluss. Und ein Revolutionstag war es irgendwie auch. 😁
    Lieber Gruß Luise

    1. Vielen Dank, liebe Luise! Es war definitiv ein Revolutionstag mit einem komplett neuen Wanderweg (für uns). Obwohl wir den Ausflug mit fast militärischer Präzision geplant hatten, machten uns ausgerechnet die ÖBB in St. Pölten einen Strich durch die Rechnung.
      LG – Uli

  5. Liebe Uli, ald Leserin bin ich über eure Pleiten, Pech und Pannen natürlich froh. Ich liebe deinen Humor und hoffe, dass du ihn nie verlierst.
    Alles Liebe, Korina

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