Dienstag, der 12. Juli 2022 ist der 193. Tag des gregorianischen Kalenders, somit bleiben 172 Tage bis zum Jahresende. Das Wetter in Wien ist wechselhaft, mit Sonne, Wolken und lebhaftem Nordwestwind. Nach einem kühlen Wochenende legt die Temperatur langsam wieder zu und erreicht bis zu 25 Grad.
Nach dem misslungenen Emmersdorf-Ausflug haben wir heute eine neue Wanderung geplant. Es geht in den südlichen Wienerwald zum altehrwürdigen Stift Heiligenkreuz. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln muss generalstabsmäßig vorbereitet werden, denn sobald man die Stadtgrenzen Wiens verlässt, werden die Intervalle länger; viel länger.
Das Kloster Heiligenkreuz wurde 1133 vom Heiligen Leopold III. aus der Dynastie der Babenberger gestiftet.
Es zählt zu den 300 Klöstern, die noch zu Lebzeiten des Heiligen Bernhard von Clairvaux entstanden sind. Das reguläre Klosterleben soll nach traditioneller Überlieferung am 11. September 1133 begonnen haben. Ich bezweifle das jedoch. Meine geheimen Forschungen ergeben den 12. September, denn am 11. waren die Mönche zweifellos noch mit Auspacken und Ausmisten beschäftigt.
Bevor wir jedoch die Klosterpforte durchschreiten, wollen wir dem Grab der Mary Vetsera einen Besuch abstatten, die am 30. Januar 1889 durch einen aufgesetzten Schuss aus einem Armeerevolver starb. Am 1. Februar 1889 wurde sie in einer unwürdigen Nacht- und Nebelaktion in einem schnell zusammengezimmerten Holzsarg im Selbstmördereck am Friedhof in Heiligenkreuz begraben.
Der Thronfolger der k.u.k. Monarchie, Kronprinz Rudolf, nahm die 17-jährige Baronesse „mit in den Tod“, wie es in vielen Schriften so schön melodramatisch heißt. Der von (damals unheilbarer) Syphilis geplagte Thronfolger wollte unbedingt mit jemand gemeinsam sterben. Seine Langzeitfreundin, die Sexarbeiterin Mizzi Kaspar lehnte ab. Mizzi informierte sogar die Wiener Polizei vom geplanten Suizid des Thronfolgers, wurde ab ignoriert. Mary Vetsera, ein naives und schwärmerisches Mädchen war wohl ein Zufallsopfer, denn die Liebe zu ihr dürfte sich aufseiten des Kronprinzen wohl sehr in Grenzen gehalten haben.
Der Tod der beiden löste einen Skandal der Sonderklasse im katholischen Hause Habsburg aus. In Windeseile wurde ein Gutachten erstellt, wonach der Kronprinz aufgrund eines Sturzes vom Pferd an temporärer Geistesschwäche gelitten haben soll. So stand einer pompösen Bestattung in der Kapuzinergruft nichts mehr im Wege.
Dass es am Tatort eine zweite Leiche gab, wurde fortan verschwiegen und zensiert.
Obwohl diese Tat so lange her ist, macht es mich dennoch unglaublich wütend, dass dieser „durchlauchtigste“ Herr und seine „feine“ Familie alles unter den Teppich gekehrt haben. Ich überlege, welche Anklagepunkte ich als Staatsanwältin gegen Rudolf H. hätte, wenn er noch am Leben wäre:
- Mord aus niedrigen Beweggründen und in Verdeckungsabsicht
- Vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten
- Entziehung einer Minderjährigen
Mit düsteren Gedanken verlassen wir den Friedhof und durchschreiten die Klosterpforte. Wir schlendern durch den Innenhof des Stifts, besichtigen die Kirche und den Kreuzgang.
Nun wird es Zeit, unsere Wanderung zu beginnen. Der Weg soll angeblich gut markiert sein, aber diesmal will ich nichts dem Zufall überlassen. Ich habe technisch aufgerüstet mit einer Tracking-App. Wir machen uns also auf nach Mayerling, wo das ehemalige Jagdschloss von Kronprinz Rudolf steht.
Bald schon gelangen wir zum Jagdschloss Mayerling, den Tatort für den Mord an Mary Vetsera und Selbstmord von Kronprinz Rudolf. Unmittelbar nach dem Verbrechen befiehlt Kaiser Franz Joseph, das Schloss in ein Kloster umzubauen und es den Karmeliterinnen zu übergeben. Heute beherbergt es ein kleines, aber feines Museum. Es ist ein schöner und friedlicher Ort. Das erste Mal seit vielen Jahren rieche ich Rosen. Sie sind klein und unansehnlich, aber verströmen einen wunderbaren Duft.
Am 31. Januar 1889 berichtet die Wiener Zeitung, dass Seine k.u.k. Hoheit an einem Herzschlag plötzlich verschieden sei. Aber wenn der halbe Kopf fehlt und ein offener Sarg angedacht ist, kommen selbst die Habsburgs mit dieser Geschichte nicht weit.
Einige Tage nach dem ersten „Begräbnis“ wird Mary in einen Kupfersarg umgebettet und in einer Gruft beigesetzt. Diese wird 1945 von sowjetischen Soldaten geplündert. Eine Neubestattung findet am 7. Juli 1959 statt.
1992 gibt es wieder einen spektakulären Grabraub. Der Linzer Möbelhändler Helmut Flatzelsteiner stiehlt die sterblichen Überreste, weil er der genauen Todesursache nachgehen will. Er beauftragt ein forensisches Institut mit der Untersuchung, indem er vorgibt, dass es sich bei den Gebeinen um eine Verwandte von ihm handelt.
Als er die Geschichte einer Zeitung verkaufen will, fliegt er jedoch auf und die Polizei beschlagnahmt die Leiche. 1993 wird Mary Vetsera erneut bestattet. Der Heiligenkreuzer Abt lässt die Gruft mit Erde füllen, um etwaigen Grabräubern vorzubeugen.
Update und Empfehlung:
Der Podcast „Klenk und Reiter“ der Wochenzeitschrift „Der Falter“ beschäftigt sich eingehend mit den Geschehnissen am frühen Morgen des 30. Jänner 1889 und auch mit dem aufsehenerregenden Grabraub 1993. Florian Klenk ist Investigativjournalist und Chefredakteur vom Falter und Christian Reiter ist Gerichtsmediziner.
->>> Die gestohlene Mary Vetsera
Es wird Zeit für uns, Mayerling den Rücken zu kehren und nach Heiligenkreuz zurückzukehren. Wir sind schon hungrig und freuen uns auf die Klostergastwirtschaft. Aber zuvor müssen wir noch ein paar Kilometer zurücklegen.
Insgesamt laufen wir 21.110 Schritte und 14,7 km! Wir sind stolz auf uns und genießen im wunderbaren Klostergasthaus ein Wildragout mit Semmelknödel, dazu ein gutes Pils aus Aigen-Schlägel. Als Nachspeise gibt es eine fantastische Topfentorte. Gestärkt treten wir den Heimweg nach Wien an.
Frag dich: Was würden Mr. Spock oder Pater Tarcisius aus Heiligenkreuz sagen, wenn sie eine überfüllte Wohnung sehen, die dringend ausgemistet gehört? Ja, genau! Sie würden sagen: Fang doch mal an, dich von unnützem Gerümpel zu befreien. Hier geht’s zur fabelhaften „30-Tage-Ausmist-Challenge“. Jeden Tag ein kleiner Impuls, immer mit einem Augenzwinkern – inklusive Anleitung und Gurkenglasmethode. Informiere dich hier: