Es ist ein klirrend kalter Wintertag. Der Schnee knirscht unter den viel zu dünnen Schuhen und der erschöpfte Obdachlose schafft es mit letzter Kraft zur Notunterkunft. Er läutet an, er klopft an der Tür, aber sie öffnet sich nur einen winzigen Spalt. Denn die Unterkunft platzt schon aus allen Nähten. Sie ist voll – übervoll! Er bleibt draußen liegen; völlig erschöpft.
Sicher kennst du das auch. Du willst Ordnung zu Hause schaffen und ein Ding in den Schrank oder die Schublade legen, um aufzuräumen? Aber es ist kein Raum vorhanden. Der Schrank platzt schon aus allen Nähten, das Regal ist komplett voll gestellt und auch die Schublade lässt sich nur mit Gewalt öffnen und schließen. Selbst der Boden ist übersät. Das Ding ist obdachlos und hat kein fixes „Zuhause“.
Ich brauche mehr Stauraum, schießt es dir durch den Kopf oder ich muss die Dinge besser schlichten.
Wird das helfen? Kurzfristig vielleicht, aber was bringt es dir auf lange Sicht? Ich sage: Wenig bis gar nichts! Alles das sind im Endeffekt kosmetische Maßnahmen, die nicht darüber hinwegtäuschen können, dass du einfach zu viel hast. Ich kenne jedenfalls niemand, der durch mehr Stauraum, eine größere Wohnung oder ein externes Lager die Situation langfristig verbessert und mehr Ordnung zu Hause geschaffen hätte. Schon kurze Zeit später sind auch die neuen Stauräume und größeren Häuser ebenso voll, wie es die kleine Wohnung war. Vielleicht sogar voller. Das Problem hat sich verdoppelt! Vielleicht sogar verdreifacht!
Genauso wie bei der Obdachlosigkeit von Menschen ist es auch bei obdachlosen Dingen unumgänglich, das Problem an der Wurzel zu packen, anstelle sich nur mit den Symptomen zu beschäftigen. Langfristig gesehen ist das der einzige Weg.
Ein Aufräumprozess, der nachhaltig Ordnung herstellt, hat folgende Komponenten:
1. Reduzieren
Die Wahrheit ist: Wenn du zu viele Sachen hast, vor allem Sachen, die nur lagern und gar nicht mehr leben, ist der erste Schritt immer die Reduktion. Du kannst es drehen und wenden, wie du willst. Du kannst alles nach Farben sortieren und kunstvolle Stapel machen, deine Sachen eng an eng schlichten, um mehr Platz zu schaffen oder ein neues Regal ins Wohnzimmer stellen. Aber im Endeffekt nutzt es dir nichts. Die Ordnung in der Schublade ist in Sekunden zerstört, wenn du in Eile etwas suchst. Die Kleidungsstücke, die aus der Wäsche kommen, passen nicht mehr in den kunstvoll erstellten Stapel. Und auch die neuen Bücher haben irgendwann keinen Platz mehr.
Stapeln und Sortieren ist vergleichsweise einfach. Denn du musst keine harten Entscheidungen treffen. Außer der Entscheidung, ob du nach Blau mit Grün weitermachst oder umgekehrt. Oder ob du die Bücher lieber alphabetisch oder nach Farben oder nach Größe sortieren willst. Welche Dinge in die erste und welche in die zweite Schublade kommen. Diese Entscheidungen sind leicht und vor allem leicht zu revidieren. Nachteil: Sie schaffen keine nachhaltige Ordnung zu Hause!
Beim Reduzieren schaut die Sache schon etwas anders aus. Denn hier trennst du dich von Dingen. Deine innere Stimme fängt wahrscheinlich an diesem Punkt sofort zu meckern an:
Was ist, wenn ich das Ding doch noch einmal brauche?
Was ist, wenn ich die falsche Entscheidung treffe?
Was ist, wenn Tante Anni (die mir das Ding geschenkt hat) nun beleidigt ist?
Aus langjähriger Erfahrung kann ich dir sagen: In 99,9% der Fälle treffen die bösen Befürchtungen nicht ein. Ganz im Gegenteil. Die Vorteile, die eine solche Trennung mit sich bringen, überwiegen bei weitem die Nachteile, wenn du alle Sachen behältst und nichts machst.
Durch Unentschlossenheit geht mehr verloren, als durch falsche Entscheidungen, sagte schon
Marcus Tullius Cicero
Das kannst du jetzt glauben, musst du aber selbstverständlich nicht. Wie wäre es mit einem Experiment? Du kannst es sofort testen. Gefahrlos.
Nimm ein Buch aus dem Regal und trenne dich von genau dem einen Buch. Am besten nimmst du ein Exemplar, das dir nicht gefällt. Oder eines, das du immer mal lesen wolltest, aber in den letzten 10 Jahren nie getan hast. Ein Buch, das du dir im Fall des Falles günstig neu besorgen oder in der Bücherei ausleihen kannst. Baue dir ein Sicherheitsnetz!
Schreib Datum, Autor und Titel auf oder mach ein Foto davon. Verlass das Haus mit genau diesem Buch und lass es irgendwo liegen. Im Café, in der U-Bahn, im Bus, in einer Behörde, in der Kantine oder im Stiegenhaus oder wenn ein öffentlicher Bücherschrank in der Nähe ist, dann deponiere es dort.
Dann warte ab, welche Gefühle du nach einem Tag, einer Woche oder einem Monat hast? Kommen Reue und Trauer oder hast du das Buch schon vergessen, nachdem du die Tür hinter dir zugemacht hast?
Wiederhole dieses Experiment jeden Tag. Es müssen nicht nur Bücher, sondern können auch andere Sachen sein.
So trainierst du deine Entscheidungs- und Ausmistmuskulatur. Tag für Tag.
Wenn du gemeinsam mit anderen trainieren und endlich Ordnung zu Hause schaffen möchtest (ich sage nur: Dranbleiben!) dann ist die „30-Tage-Ausmist-Challenge“ genau das Richtige für dich!
2. Routinen
Routinen sind ein unerlässliches Mittel, um nachhaltig Ordnung zu schaffen und zu halten. Dafür reichen schon wenige Minuten pro Tag. Auch hier gilt das Motto: Weniger ist Mehr!
Auf Reddit hat sich Arnold Schwarzenegger einem Q&A (Fragen und Antworten) gestellt und viele der Fragen drehten sich um seine Motivation und auch, wie er nach seiner Herz-Operation so schnell wieder fit wurde. Seine Antwort: Alles ist Routine! Motivation kommt und geht, die Routine bleibt.
Fazit: Warte nicht, bis irgendwann die große Motivation herbeifliegt oder du unerwartet ganz viel Zeit hast. Starte JETZT. Und verachte nicht die kleinen Schritte. Besser, du machst klitzekleine Einheiten und das jeden Tag, als immer weiter zuzuwarten. Es ist wie bei der körperlichen Fitness: Wenn du nichts machst, bleibst du nicht stehen, sondern du fällst zurück und entfernst dich immer weiter von deinem Ziel.
Hier sind einige Vorschläge für Routinen, die du natürlich deinem eigenen Lebensstil anpassen kannst und sollst.
2.1 Abendroutine
Nimm dir vor, einen Bereich immer frei von Gerümpel zu halten. Z.B. den Esstisch oder die Oberflächen in der Küche. Lass keine angebrochenen Lebensmittel und schmutzigen Teller oder Gläser herumstehen. Wenn du am Morgen in die Küche oder ins Esszimmer kommst, wirst du von einem sauberen Raum begrüßt und du beginnst deinen Tag entspannter.
Leg dir die Sachen zum Anziehen für den nächsten Tag bereit sowie deine gepackte Tasche, wenn du einen Termin außer Haus hast. So sparst du viel Zeit und Stress am Morgen.
Auch hier gilt: Alles, was du in 10-15 Minuten machen kannst, das erledige. Besser teilweise gemacht, als gar nicht! Wenn ein Bereich gut funktioniert und in Fleisch und Blut übergegangen ist, dann nimm dir den nächsten vor. Stell dir vor, wie viel weiter du in einem Monat oder einem Halbjahr sein wirst, selbst wenn du nur kleine Routinen verinnerlicht hast – im Gegensatz zum Abwarten auf den richtigen Zeitpunkt.
2.2 Morgenroutine
Mach etwas, um gut in den Tag zu starten. Ein paar Atemübungen, in Ruhe einen guten Tee oder Kaffee trinken, dein Frühstücksgeschirr in den Geschirrspüler räumen, eine Oberfläche abwischen, das Bett machen. Wenn du das Gefühl hast, in der Früh gar keine Zeit zu haben, dann mach etwas ganz Kleines, etwas, das in ein paar Sekunden erledigt ist. Es geht nicht darum, aus dem Stand heraus eine neue Routine zu entwickeln, die mehrere Stunden dauert, sondern eine kleine Mini-Routine an die nächste anzuhängen – bis du dort bist, wo du sein möchtest. Wenn die erste Routine funktioniert, dann beginn mit der nächsten.
2.3 Ausmistroutine
Stell dir einen Timer und miste jeden Tag in diesem Zeitraum aus. Wichtig ist nicht die Dauer, sondern die Regelmäßigkeit. Besorge dir eine Box und gib den Inhalt einer Schublade oder eines Regalteils oder die Sachen, die auf einer Oberfläche stehen, hinein. Dann reinigst du diesen Bereich. Schlussendlich gehst du alle Sachen durch, die zum Vorschein gekommen sind, trennst dich von den überflüssigen Dingen und räumst die restlichen Sachen wieder ein.
Das Herausräumen ist essenziell und macht es dir sehr viel leichter, Dinge loszulassen. Bleib nicht unentschlossen vor dem Schrank oder der Schublade stehen – räume aus! Erst wenn etwas ausgeräumt ist, siehst du das wahre Ausmaß der Dinge. In der Küchenschublade mögen sich z.B. diverse Dosenöffner „verstecken“, aber erst, wenn du sie alle offen vor dir liegen siehst, „begreifst“ du, was du besitzt und wichtiger, was du behalten willst.
2.4 Einkaufsroutine
Wenn etwas in deinen Haushalt reinkommt, mach es dir zur Routine, dass dann immer auch ein Ding deine Wohnung oder dein Haus verlässt. Wenn du etwas in deinen Online-Warenkorb gibst, mach es dir zur Gewohnheit, eine gewisse Zeit zuzuwarten, bevor du auf „kaufen“ klickst. Du hast etwas bestellt und innerhalb von 4 Wochen nicht benützt, überlege nochmals, ob du es wirklich brauchst oder doch besser zurückschickst oder umtauschst.
3. Neue Ordnung schaffen
Wenn du dich von den überflüssigen Sachen einer Kategorie, z.B. den Kleidungsstücken oder den Küchenutensilien, getrennt hast, dann kannst du anfangen in diesen Bereichen eine neue Ordnung zu schaffen. Jetzt hast du genug Platz, um das zu bewerkstelligen. Die Dinge, die du am häufigsten verwendest, kommen dorthin, wo du sie sofort griffbereit hast.
Die neue Ordnung hat das Ziel, dass Suchen und Wühlen der Vergangenheit angehört. Alle Sachen haben ein fixes Zuhause, wohin du sie jederzeit zurückbringen kannst. Und das Zuhause deiner Dinge ist gemütlich und bietet genug Platz. Selbst wenn einmal viele Sachen heraußen herumliegen sollten, kannst du dennoch in Windeseile aufräumen. Deine Aufgabe ist dann nicht mehr, Platz zu suchen „wo hat das noch Raum?“, sondern die Dinge einfach ins angestammte Zuhause zurückzubringen.
4. Optimieren
Ausmisten ist normalerweise nichts, das ein Enddatum hat oder statisch ist. Alles ist im Fluss. Sachen, die heute total wichtig für dich sind, haben vielleicht nächstes Jahr keine Bedeutung mehr. Dafür können sie vielleicht anderen Menschen Nutzen bringen oder recycelt werden. Neue Dinge kommen in deinen Haushalt und andere verlassen dich. Im Laufe der Jahre ändert sich auch oft die Haushaltsgröße und damit die benötigten Sachen. Kinder werden erwachsen und ziehen aus. Es kommt zu Trennungen in der Partnerschaft oder ein neues Familienmitglied kommt hinzu.
Daher ist es vorteilhaft, sich regelmäßig von Dingen zu trennen und auch regelmäßig zu optimieren.
Das Gute an der Regelmäßigkeit oder Routine ist: Deine Grundordnung steht und je öfter und je mehr du schon ausgemistet hast, desto leichter geht es dir von der Hand und desto weniger gibt es auszumisten oder zu optimieren.
5. Konsumgewohnheiten ändern
Damit du nachhaltig Ordnung halten kannst, müssen sich auch deine Konsumgewohnheiten ändern. Glücklicherweise passiert das völlig automatisch, wenn du gründlich ausmistest.
In einem Newsletter habe ich das Bild eines Nachtclubs mit Türstehern verwendet, deren Aufgabe es ist, nur die erwünschten Gäste hereinzulassen. Genau solche imaginären Türsteher brauchst du auch, wenn du im Laden bist und den vermeintlichen Schnäppchen-Kauf tätigen willst oder dein Finger über dem Kaufen-Button im Online-Shop schwebt. Oder Tante Anni dir schon wieder ein unerwünschtes Geschenk aufdrängen will. Oder die Werbung dir einreden will, dass du dieses Ding unbedingt haben musst und am besten sofort.
Der reduzierte Konsum von physischen Gegenständen bewirkt nicht nur, dass du nachhaltig weniger Sachen und mehr Ordnung hast, sondern gibt dir und auch der Umwelt (wir haben nur den einen Planeten) sehr viel mehr:
- Mehr Freiheit
- Mehr Unabhängigkeit
- Mehr Geld
- Mehr Flexibilität
- Mehr Überblick
- Mehr Klarheit
- Mehr Zeit
- Mehr Freude
- Mehr von dem, was wirklich für dich zählt
Wenn du JETZT starten willst, dann mach mit bei der Challenge. Ich freue mich auf dich!