Voriges Jahr haben viele Menschen über das Buch „Reserve“ gesprochen, in dem der britische Prinz Harry seine Bitterkeit über sein Schicksal des Wartens zum Ausdruck bringt.
Geboren, um der ewig Zweite zu sein; nur um im Falle des Falles zur Verfügung zu stehen, aber ansonsten zum Warten und Nichtstun verurteilt zu sein.
Wenn ich auch kein Mensch bin, so bin ich doch exquisiter Abstammung und ich habe beschlossen, dass es Zeit ist, das Schweigen endlich zu brechen und meine Geschichte zu erzählen. Denn auch ich war den größten Teil meines Lebens nur Reserve. Wie so viele meiner Brüder und Schwestern.
Endlose Jahre verharrte ich in einer wunderschönen Schachtel als vergessene und nie benutzte Seidenunterhose. Ich lag regungslos in Dunkelheit und Stille, während die andere Unterwäsche ihre Tage inmitten von Aktivität und Bewegung verbringen durfte.
Von Anfang an war ich mir meiner außergewöhnlichen Qualität und meines edlen Geblüts bewusst. Meine hellgrüne Seide schimmerte im sanften Licht und meine Nähte waren von allerfeinster Handwerkskunst. Während meine Kolleginnen nur schnöde Unterhosen waren, war ich ein Dessous!
Dennoch blieb ich unberührt. Zwar öffnete meine Besitzerin die Schublade regelmäßig, aber sie nahm mich nicht aus der Schachtel, die mir mehr und mehr zum Luxusgefängnis wurde.
Meine Nachbarinnen, die gewöhnlichen Baumwollunterhosen, wurden ständig hervorgezogen und getragen. Sie hatten keinen Stammbaum, waren zerknittert und abgenutzt, aber sie erfüllten einen Zweck. Sie wirkten zwar manchmal erschöpft, aber sie waren glücklich. Ihr Leben hatte einen Sinn.
Ich zermartere mir mein Hirn. Warum sollten sie die ganze Aufmerksamkeit bekommen, während ich hier nur still vor mich hin vegetierte?
Die Jahre vergingen und meine Seide begann zu verblassen. Meine Stimmung sank in den Keller. Genau dorthin hatte mich meine Besitzerin schließlich auch gebracht. Was hatte ich falsch gemacht? Warum war ich in einen finsteren Kerker verbannt worden?
Ich war neidisch auf diejenigen, die zumindest einen Hauch des Lebens gespürt hatten. Doch ich blieb unberührt und ungeliebt.
Aber dann, eines Tages, geschah das Unerwartete. Ich wurde aus der Schachtel herausgenommen und kritisch betrachtet. Ich dachte: Jetzt endlich ist es so weit! Mein Einsatz beginnt. Leider landete ich nur Sekunden später in einer Tüte unter vielen anderen Bekleidungsgegenständen.
Große Enttäuschung machte sich in mir breit. Ich lag eingequetscht zwischen einer hochnäsigen weißen Bluse und einer zerknitterten blauen Leinenhose. Aber immerhin machte ich mich jetzt auf eine Reise.
Hoffnung keimte in mir auf. Ich würde noch jemand anderem Freude bringen, jemandem, der meine Schönheit zu schätzen wusste.
So verließ ich meine einsame Existenz; bereit, einer neuen Besitzerin Luxus und Eleganz zu schenken. Ich war vielleicht nie getragen worden, aber ich hatte noch einen Zweck zu erfüllen.
Der Laden, in dem ich auf ein Regal gelegt wurde, war riesig. Nicht besonders schön, aber immerhin hatte ich jetzt Tageslicht und ich spürte Blicke, die mich ansahen. Eine groß gewachsene Frau nahm mich in ihre Hände; eine liebevolle Berührung, die ich seit Ewigkeiten nicht mehr gespürt hatte.
In diesem Moment erkannte ich, dass meine Bestimmung nicht darin bestand, in einer Schublade zu verharren und auf Verwendung zu warten. Ich begann ein neues und aufregendes Leben!
Und während ich meine Memoiren niederschreibe, möchte ich dich daran erinnern, dass wir viele sind – sehr viele Dinge. Wir lagern oft unbeachtet und verstaubt in Schränken, auf Regalen, in Kisten, in Kellern und in Dachböden.
Wir wollen dir sagen: Lass uns frei! ALLES ist besser, als end- und hoffnungslos auf den Zeitpunkt „Irgendwann“ zu warten.
In Seidenliebe,
Dein Dessous – Fürsprecherin für die noch eingesperrten Dinge.
In den Wohnräumen und Kellern haust sehr viel Vergangenes!
Wenn du Geschichten liebst, Tipps zum Ausmustern haben willst und dir schon lange wünscht, endlich Ordnung zu schaffen, melde dich für den Newsletter an. Ein Lächeln liefere ich dir jeden Sonntag gratis mit.
Du bekommst besondere Geschichten, denn ich liebe Texte mit Augenzwinkern, einem Schuss Ironie und gutem Storytelling. Es kommen immer wieder „Prominente“ vor: Künstler, Kaiserinnen, Päpste, Nachtclubbesitzerinnen, Philosophen, Mütter, Mose und die Israeliten, ehemalige Kollegen und manchmal sogar Serienmörder.
Wer schreibt hier?
Ich bin Uli Pauer und ich unterstütze dich, Dinge auszumustern, die für dich nur noch Ballast sind. Sachen, die dir schon lange im Weg und ein Dorn im Auge sind.
Willst du gleich loszulegen? Hol dir die geniale Checkliste „121-Dinge-sofort-ausmisten„. In diesem PDF ist alles (nach Wohnräumen bzw. Kategorien) aufgelistet, das du ohne Wenn und Aber hinauskatapultieren kannst. Von Elektroschrott bis zu alten Gebrauchsanweisungen und kratzigen Pullovern ist alles dabei. Zum Abhaken!
Zusätzlich bekommst du eine kleine Anleitung, wie du am besten und effizientesten mit dem Ausmustern beginnst.
Danke für dieses Gedankenspiel! Es wartet nicht nur im Kleiderschrank einiges, was ans Licht will, oder? 😉
Absolut, liebe Nicole! Beim Ausmustern findest du Sachen, von denen du dich trennen wirst und manchmal auch Dinge, von denen du gar nicht wusstest, dass es sie noch gibt. Es kommen immer Sachen ans Licht!
LG – Uli
Was für eine schöne Geschichte! Dies verlinke ich direkt mal in meinem neuen Newsletter. Solche in Kleiderschränken vergessenen Teile könnten ja auch wieder belebt werden – dann müsste die Geschichte nicht so traurig enden.
Liebe Grüße von Sigrid aus Berlin!
Vielen Dank, liebe Sigrid! Die Seidenunterhose ist jetzt hoffentlich in einem anderen Leben und sieht/spürt Licht und Luft!
LG – Uli
Liebe Uli, einfach herrlich!
Ohje, bei mir hier schlummern auch noch vergessene Dinge, die sich nach Freiheit und Sinnhaftigkeit sehnen…;-)
Viele Grüße Ulla
Vielen Dank, liebe Ulla! Es hat großen Spaß gemacht, dem Dessous eine Stimme zu geben. Ja, auch die Dinge sehnen sich nach Freiheit!
LG – Uli
Sehr schöne Geschichte – es lebe die Freiheit! Diejenige all der vergessenen Dinge zuunterst in der Schublade und zuoberst auf dem Schrank, aber auch unsere eigene, wenn wir uns davon treffen und wieder mehr Platz zum Atmen haben.
Ich liebe dieses Aufräumen und Ausmisten sehr – auch als reinigende Tätigkeit für mich selbst – danke für die Erinnerung!
Vielen Dank für deinen Kommentar, liebe Jaël! Es stimmt, das Ausmisten und Ordnung schaffen hat auch eine reinigende Kraft und ist auch gut für die Psyche.
LG – Uli
Was für ein zauberhafter Blog Artikel. Liest sich sehr flüssig und leicht. Bei hat eine rote Seidenunterhose das gleiche Schicksal geteilt. Vor lauter schonen.
Ich habe gleich Dein PDF herunter geladen für meine nächste Aufräumaktion.
Viele Grüße Martina
Liebe Uli, was für ein unterhaltsamer Beitrag! Da bin ich doch lieber eine Baumwollunterhose.
Herzliche Grüße – Korina
So ein Dessous hat es nicht immer leicht! 🙂
LG – Uli
Sooo cooler Artikel! Fantastisch! Deine Liste werde ich mir gleich mal vornehmen. Ich habe 32 Jahre „Sammelleidenschaft“ und „könnte man ja noch mal gebrauchen“ auszumisten – innerhalb von wenigen Wochen …
LG Ursula
Ach Uli, das liest sich ja wunderbar.
Endlich verstehe ich. Da will ganz schön viel in die Freiheit. Ich höre schon die Gespräche in den Schubladen. Liebe Grüße, Birgit
Großartig, endlich für alle hier lesbar!!!
Ich bin schon auf die Geschichten der anderen vergessenen Dinge gespannt.
Viele Grüße
Nicole
Vielen Dank, liebe Nicole! LG – Uli