Evelyn Steindor-Schmidt lebt mit ihrem Ehemann Tom am Rande des nördlichen Ruhrgebietes in der Nähe der Zeche Westerholt im Schlaglicht von Schalke 04. Neben vier erwachsenen Kindern und (bisher) drei Enkelkindern hat sie auch sieben Fellnasen (wie sie ihre Hunde liebevoll nennt). Dazu einen riesigen Garten. Und ein Online-Business!
In einem ihrer Blogartikel schreibt Evelyn pointiert: Darf ich mich vorstellen: Ich bin die Doppel- und Mehrfachbelastung in Person! Und: Hier erfährst du, wie ich mich daraus gerettet habe!
Wann immer ich mit Evelyn kommuniziere, verfalle ich ob ihrer Energie in ungläubiges Staunen. Schreiben und meinen 1-2-Personenhaushalt (ohne Tiere und Garten) zu führen bringt mich schon manchmal an den Rand der Erschöpfung. Eine große Familie, eine umfangreiche Villa, Renovierungsarbeiten in Eigenregie, ein riesiger Garten und sieben Hunde würden mich wohl komplett überfordern.
Aber halt! Es geht hier nicht um mich, sondern um meine liebe Blogger-Kollegin und Freundin:
„The one-and-only wonderful Evelyn„. Hier ist ihre Geschichte:
Das Fahrsteiger-Haus
Im Jahr 1988 zogen wir in ein wunderschönes Zechenhaus. Dabei handelte es sich um ein sogenanntes Fahrsteiger-Haus. Wer sich im Bergbau ein wenig auskennt, weiß, dass es für die Mitarbeiter die Möglichkeit gab, zechennah zu leben. Mit dem Rang wuchsen auch die Häuser. Während die Quartiere der einfachen Kumpels wie kleine Puppenstuben anmuteten, war ein Fahrsteiger-Haus etwas Besonderes. Unser „kleines“ Anwesen umfasste 120 m2.
Das Werksdirektoren-Haus
Wir hätten damals auch im Nachbarort die Werksdirektoren-Villa haben können. Ich habe sie mir nicht angeschaut, denn ich bin mir sicher, dass ich schwach geworden wäre. Es gab dort überall Dienstboten-Geheimgänge zwischen den Räumen. Da wir schon unser erstes Kind hatten und noch weitere wollten, hätte ich ihnen dieses Abenteuer gegönnt, in einem so hochherrschaftlichen Anwesen groß werden zu dürfen. Doch dann hätten wir uns nur noch von Würfelbrühe ernähren können, denn das Referendariats-Gehalt meines Mannes als Bergassessor wäre komplett für die Miete draufgegangen.
Die wachsende Kinderschar
Mit dem Fahrsteiger-Haus waren wir sehr glücklich. Im Garten gab es die alte Böckenburg, die von unseren eigenen vier Kindern und den vielen Nachbarkindern gerne bespielt wurde. Die Burg war Teil eines riesigen Sandkastens, der zwei Kubikmeter Sand fasste und ideal für Spiele mit Playmobil- und Ritterfiguren.
120m2, ein Ehemann, vier Kinder und eine Wohnzimmerkanzlei
Mit vier Kindern waren 120 m2 jedoch schnell zu klein, zumal ich meine Rechtsanwalts-Kanzlei damals als Wohnzimmerkanzlei gegründet hatte. Schild an die Tür und warten, was passiert. Und es passierte so einiges. Unser Wohn- und Esszimmer platzte bald aus allen Nähten. Wir bauten den Dachboden aus, doch für die immer größer werdenden Aktenberge reichte es trotzdem nicht.
Beben in der Esszimmerkanzlei
Eines Tages saß eine Klientin mit ihrer Partnerin bei mir und schaute sich nachdenklich in meiner Esszimmerkanzlei um. Die Decke bebte, denn oben tobten die damals noch recht kleinen Kinder mit ihren Freunden durch das Kinderzimmer. Wir hatten ihnen ein Quattro-Gerüst im Kinderzimmer aufgebaut und bei 3,50 m hohen Decken passte sogar die Doppelrutsche dort bis unter die Decke hinein. Sie hatten viel Spaß und ich hatte mich an den Lärm gewöhnt. Alle, die zu mir kamen, mussten das aushalten.
Meine Klientin fragte mich: „Wollen Sie nicht vielleicht umziehen? In ein viel schöneres, größeres Haus mit mehr Zimmern und einem schönen Eingangsbereich?“
Das Inspektoren-Haus
Zwei Stunden später besichtigte ich schon das Haus, das nur eine Straße von uns entfernt lag. Es war ein sogenanntes Inspektoren-Haus; ein Anwesen für die ganz wichtigen Leute auf der Zeche. Das Haus war von einem riesengroßen Garten mit altem Obstbaumbestand umgeben. Mir war sofort klar: Ich bin schockverliebt! Dieses Haus und diesen Garten wollte ich für unsere Familie.
Die Entscheidung
Nun musste alles schnell gehen. Im alten Haus bleiben, eventuell anbauen oder umziehen?
Wir entschieden uns für den Umzug in das größere Inspektoren-Anwesen. Es war ein Haus, wie wir beide, mein Mann und ich, es uns schon immer gewünscht hatten.
Eine schöne Atmosphäre hatten wir schon im Fahrsteiger-Haus, im Inspektoren-Haus gab es zusätzlich Eleganz und ein ganz neues Wohn- und Lebensgefühl.
Die Übersiedlung
Der vorherige Mieter – ein alter kauziger Mann mit Frau und Zwergschnauzer – zog in ein altengerechtes Wohnprojekt. Er musterte mich von oben bis unten und fragte mich trocken: „Haben Sie denn überhaupt genug Möbel, um dieses Haus einzurichten?“ Er hatte ja recht! Man konnte in den Räumen tanzen.
Wir steckten 100.000 DM in den Umbau. Nach ungefähr zwei Monaten organisierten wir den Umzug, auch wenn noch nicht alles komplett fertig war. Zeit zum Entrümpeln hatte ich damals nicht. Die Kanzlei lief und vier kleine Kinder waren am Start. Ich musste den Umbau komplett allein organisieren und die vielen Gewerke im Blick haben. Mein Mann war in dieser Zeit in leitender Position im Bergbau beschäftigt und 12-Stunden-Tage waren für ihn keine Seltenheit.
Wir packten Raum für Raum alles in nummerierte Kisten. Und ins neue Haus zog ein unfassbar großes Heer an Umzugskartons ein und bildete eine Wand aus Kisten. Auch im Keller stapelten sich die Kisten kunstvoll bis unter die Decke.
Die Kinder fuhren mit dem Kettcar und Anhängern ihre Spielsachen selbst rüber. Wir transportierten die meisten Sachen mit unseren Autos und zum Schluss gab es noch einige paar Fahrten mit dem geliehenen Bully.
Mein Plan war es, beim Ausräumen alles in Ruhe zu entrümpeln.
Mein erstes Bad
Der sehr anstrengende Umzugstag war zu Ende. Die Helfer zu Hause. Mein Mann mit den Kindern zum Einkaufen von Pommes und Currywurst rot-weiß, dem Ruhrpott-Klassiker aus der besten Frittenbude am Ort: Jansen. Leider gibt es diese heute nicht mehr. Ich gönnte mir einstweilen ein heißes Vollbad im komplett neu gestalteten Bad. Als ich das Wasser aus der Badewanne laufen ließ und warum auch immer noch mal kurz in den Keller ging, sah ich das Drama: Das Wasser lief nicht aus dem Haus hinaus, sondern in den Keller hinein.
Erst jetzt dämmerte mir, was der Vormieter süffissant grinsend mit „das eine oder andere werden Sie schon später selber merken“ gemeint hatte. Die Kanalisation musste für uns komplett erneuert werden und wir lebten über ein halbes Jahr in einer Pumpstation, d.h. das Abwasser musste mit Schläuchen in die Kanalisation gepumpt werden.
Panik und Entsetzen überkamen mich, denn die kunstvoll aufgestapelten Übersiedlungskisten drohten Opfer der Badewasser-Fluten zu werden. Also alle Kisten schnell raus aus der Feuchtigkeit!
Die Überflutung nahm mir einige Entscheidungen ab, denn alles, was durch die Feuchtigkeit kaputtgegangen war, konnte ich direkt ausmustern. Durch die Kistenrettungsaktion kam allerdings meine schöne Nummerierung komplett durcheinander und mein ursprünglich angedachtes System, alles Raum für Raum zurück einzuräumen, endete in einem unfassbar großen Chaos.
Im Inspektoren-Haus
Irgendwann waren alle Kisten ausgeräumt. Das Kanzleischild kam wieder an die Haustür und ich hatte mehr Arbeit denn je zuvor. Als ich dann den Fachwaltstitel für Familienrecht hatte, wurde es sofort noch mehr. Ich war von Anfang an chronisch überlastet.
Viel zu viele Dinge mussten einfach warten und auch das Entrümpeln stellte ich hinten an. Wer Kinder hat, weiß, dass Aufräumen ein großes Thema ist. Wir hatten Kinder und Hunde – und einen großen Garten. Der Dreck war unvorstellbar und unsere Putzhilfe bekam Schmutzzulage!
Das Haus und der Garten (und auch die Nachbargärten) war für die Kinder ein riesiges Spielareal. Abenteuer pur. Bei uns gab es alles, was Spaß machte. Und alles nahm viel Platz ein.
Meine Kinder wollten sich nie von ihren Spielsachen trennen. So gab ich nichts davon weg. Ich horte es bis heute. Für die Enkelkinder.
Minimalismus?
Als erstes entsorgte ich alle Stehrümchen. Ich liebe Nippes, doch die Staubschicht machte mir zu schaffen. Außerdem konnte ich die uups der Kinder nicht mehr ertragen, die mir beim Putzen helfen mussten. Etwas Gutes hatte die Unterstützung meiner Kinder jedoch: Sie beschleunigten den Entrümpelungsprozess, indem sie viele wertvolle und mir wichtige Dinge in die ewigen Jagdgründe beförderten. So auch meine Lieblingstassen, um die ich immer noch trauere.
Die Lady-Diana-und-Prince-Charles-Teetasse kaufte ich in England, wo ich mich gerade aufhielt, als die beiden heirateten. Sie war MEINE Teetasse, doch nach der Säuberungsaktion der Kinder ohne Henkel. Ebenso erging es auch der Papst-Tasse, die von meinem Nachwuchs pulverisiert wurde. Als sich dann auch noch unser gutes Fürstenberg-Geschirr drastisch reduzierte – von 24 auf nicht mal 6 Personen – räumte ich alles weg, was einen ideellen oder realen Wert für mich hatte.
Jahrzehnte vergingen. Die Kisten blieben – bis heute.
Die Zukunft
Ich miste schon mein ganzes Eheleben aus – und das sind immerhin fast 40 Jahre. Als Tom und ich zusammenzogen, haben wir beide unseren kompletten Hausstand mitgebracht. Ein einziges Desaster! Wir haben das Mobiliar von fünf Zimmern in zwei gestopft. Aber damals war ich zu jung, um zu wissen, dass es deutlich klüger gewesen wäre, sich von allem zu trennen und gemeinsam komplett neu einzurichten.
Mehr zu unseren ersten Einrichtungsplänen gibt es in meinem autobiographischen Artikel: Der Teppich (oder das Fast-Ende meiner noch jungen Ehe):
Während wir beide völlig „von der Rolle“ waren und versuchten, „auf dem Teppich“ zu bleiben, ließen wir alle möglichen Teppiche stundenlang vor uns hin und her rollen. Aber wir konnten uns nicht auf einen Teppich einigen. Zu unterschiedlich waren unsere Vorstellungen.
Für mich war es der Schock meines Lebens.
Ein Zurück gab es nicht mehr!
Wir waren ja schon verheiratet!
Wie furchtbar für mich!
Im Zusammenhang mit der aktuellen Renovierung entrümpeln wir jetzt grundlegend. Das tut echt gut! Raum für Raum gehen wir durch und räumen ihn fast komplett leer. Danach kommt nur noch das rein, was wir dort auch tatsächlich drin haben wollen. Der Rest wird den Kindern, Nachbarn und Freunden angeboten oder zum Kaufhaus der Diakonie gebracht.
Viele alte Spielsachen werden wohl noch weiter bei uns leben, weil unsere vier Kinder nichts mitnehmen wollen, sondern zu Hause alles neu kaufen. Solange die Enkelkinder gerne damit spielen, werden wir sie noch behalten.
Mit jeder Renovierung gönne ich mir die Klarheit, wie wir es denn wirklich haben wollen und wie es jetzt zu uns beiden passt. Die Frage: Brauchen wir das noch oder kann das weg, tut sehr gut und Schritt für Schritt wird unser Zuhause übersichtlicher und wir leben mit den Sachen, die uns wirklich etwas bedeuten.
Evelyn Steindor-Schmidt
Evelyn Steindor-Schmidt ist Coach für achtsame Beziehungskultur und unterstützt Frauen (aber auch Paare), die in ihrer Beziehung feststecken, ihre Partnerschaft zu retten oder sich achtsam zu trennen. Sie arbeitete lange Zeit als Anwältin für Familienrecht. Als Coach ist es Evelyn wichtig, eine Verbindung von Mediation und Meditation zu schaffen und hat daher ihr Unternehmen „Finde den Herzensweg!“ genannt.
https://finde-den-herzensweg.de/